An(ge)dacht Die "feste Burg" ist Zufluchtsort bei Gefahr

Ratingen · Mitten in den Auseinandersetzungen um die Erneuerung der Kirche schrieb Martin Luther 1529 sein bekanntestes Lied: "Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat getroffen". Am 31. Oktober ist Reformationstag, und in unseren evangelischen Kirchen wird dieses Lied wieder gesungen.

Manche sehen es inzwischen kritisch, weil Luther darin militaristisch von Gott spricht. Oder hat er beim Dichten und Komponieren an seine Zeit auf der Wartburg gedacht? Luther war dort, weil sein Kurfürst ihn vor dem Kaiser und dessen Soldaten versteckte. Gut bewehrt versteckt zu sein und Asyl zu genießen, hat ihm damals das Leben gerettet. Luther übersetzte im Asyl das neue Testament in die deutsche Sprache, später dann das alte Testament. Beim Lied "Ein feste Burg" klang Psalm 46 in seinen Ohren: "Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, ... eine Burg ist uns der Gott Jakobs". Zuversicht und Stärke hat Luther damals gebraucht. Die "feste Burg" und ihre Waffen klingen in Luthers Lied in der Tat militaristischer als in dem alten hebräischen Psalm. Die Töne des Psalms sind eher leise. Sie erinnern an das Aufatmen des gestrandeten Flüchtlings, der endlich festen Boden unter den Füßen und den sicheren Hafen erreicht hat. Während wir die mittelalterlichen Burgen entlang des Rheins vor Augen haben, dachten die Menschen damals zunächst an einen Ort, den sie sicher erreichen konnten, wenn Gefahr drohte. Sie sahen den Schutzwall auf dem Berg in der Nähe. Oder den Innenraum des Tempels, der für bewaffnete Kräfte tabu war. So vergleicht der alte Psalm Gott mit Orten, an denen man Zuflucht suchen konnte, wenn Gefahr drohte. Für Luther war es die gut gesicherte Wartburg. Zu allen Zeiten galt und gilt: So ist Gott für dich, Zufluchtsort und Stärke, wenn die Not am größten ist.

GERT ULRICH BRINKMANN, PFARRER AN DER EVANGELISCHENSTADTKIRCHE

(RP)
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