Ansgar Wallenhorst Bach ist ein unergründliches Geheimnis

Ratingen · Das Programm des Kantors von St. Peter und Paul in Mitte steht in diesem Jahr ganz im Zeichen von Johann Sebastian Bach.

 Inniges Verhältnis: "Wer sich für die Orgel interessiert, landet immer zuerst und dann zeitlebens bei Bach", sagt Ansgar Wallenhorst.

Inniges Verhältnis: "Wer sich für die Orgel interessiert, landet immer zuerst und dann zeitlebens bei Bach", sagt Ansgar Wallenhorst.

Foto: Hermann Enkemeier

ratingen Matthäus-Passion, h-moll-Messe oder die "Brandenburgischen Konzerte - Johann Sebastian Bach verfasste zentrale Werke der abendländischen Musikgeschichte. Einer, der dem alten Bach neue Nuancen entlockt, ist Ansgar Wallenhorst. Als "unverwüstlichen Komponisten" bezeichnet er den Barockmusiker. "Bach ist unsterblich und seine Musik ist ein eigener Kosmos."

Herr Wallenhorst, was an Bach ist so faszinierend?

Wallenhorst Seine Musik ist eine universelle Sprache, die zeitlos ist. Ich komme gerade von einer Russland-Konzertreise, und das letzte Konzert im fernen Irkutsk war ganz Bach gewidmet, im Spiegel zu Improvisationen. Weil man ihn immer und überall versteht, haben wir das Organistival 2015 unter das Motto "nicht ohne Bach!" gestellt. Wir haben zwar kein Bach-Gedenkjahr, aber gute Gründe, ihn zu würdigen - in jedem Jahr.

Was "rockt" denn so an Bach?

Wallenhorst Seine Musik hat einen ganz stark rhythmischen Impetus, einen "Bach-Drive" könnte man sagen. Das reißt mit - auch wenn es kompositorisch anspruchsvoll in thematischen Schichtungen und motivisch intensiven Diskursen abläuft. Bach schafft ganz phänomenale Klangbalancen und hat ein unglaubliches Gespür für die Wirkung von Tempi. Und mit der Orgel ist er unorthodox umgegangen, verglichen mit seinen eher braven Kollegen: Bach war der Rockstar an der Orgel.

Wie sind Sie bei Bach gelandet?

Wallenhorst Wer sich für das Instrument Orgel interessiert, landet immer zuerst und dann zeitlebens bei Bach. Aber es setzt viel voraus, um seiner Musik immer mehr gerecht zu werden. Das dauert ein ganzes Musikerleben, auch wenn man mit 15 Jahren die erste Triosonate oder einer seiner Toccaten gespielt hat. Die Orgel in St. Peter und Paul ist übrigens so wenig "authentische" Bach-Orgel wie ich mich als "historisch korrekter Bach-Interpret" fühle. Vielleicht liegt ja darin der Reiz.

Lebte Bach jetzt, säße er hinter modernen Rechnern. Was ist an der Mathe-These dran?

Wallenhorst Vor allem war Bach ein zutiefst gläubiger Mensch und wollte mit seiner Musik Gott ehren und den Nächsten belehren, erfreuen und bewegen. Er spielte gern mit dem Zahlenalphabet, das die Buchstaben der Reihe nach durchnummeriert. Die Summe B+A+C+H ergibt dann 14. Ist es Zufall, dass Johann Sebastian Bach 14 Kanons für die Goldberg-Variationen oder 14 Fugen für die "Kunst der Fuge" komponierte? Bach ist ein Geheimnis, das man kaum ergründen kann. Eine Offenbarung, die Tiefe schlechthin.

Eine revidierte Partitur der h-Moll-Messe wurde durch die Staatsbibliothek zu Berlin und den Carus-Verlag publiziert. Welche neuen Einblicke gewährt sie?

Wallenhorst Die stärkere Würdigung der "Dresdner Stimmen" und der Bachschen Arbeitspartitur mit Revisionen und aufführungspraktischen Details zeigt vor allem eines: Bach war ein unglaublich versierter Pragmatiker, der das "Klangmaterial" des jeweiligen Orchesters oder Chores und sein "Klangideal" immer neu auslotete und aufeinander abstimmte zum Besten für jede Aufführung. Es hat bei ihm sicher niemals zwei gleich klingende Aufführungen eines Werkes gegeben. Jedes Mal wurde etwas anders artikuliert, die Tempi wurden auf den Raum angepasst , oder es wurde einfach eine andere Lesart der Musik zur zentralen dieser Aufführung gemacht. Bach war ein wahnsinnig schöpferischer Mensch - auch im Umgang mit nicht immer besten Rahmenbedingungen für seine Musik. Ein Vorbild für jeden Kantor bis heute.

VALESKA VON DOLEGA STELLTE DIE FRAGEN

(RP)
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