Ratingen 741 Jahre Stadtgeschichte in 30 Minuten

Ratingen · Das Museum Ratingen lädt regelmäßig zu Mittagsführungen ein. Statt Schnellimbiss gibt's einen historischen Abriss.

 Während der Mittagsführung im Museum der Stadt zeigt Volontärin Iris Palzer auch so unheimliche Dinge wie die Daumenschraube.

Während der Mittagsführung im Museum der Stadt zeigt Volontärin Iris Palzer auch so unheimliche Dinge wie die Daumenschraube.

Foto: Achim Blazy

Iris Palzer wirkt ein wenig nervös. Die junge Kunsthistorikerin ist erst vor wenigen Wochen für ihr wissenschaftliches Volontariat am Ratinger Museum von Bayern ins Rheinland gezogen. Nun wird sie eine Handvoll Interessenten durch die Dauerausstellung über Ratingens Stadtgeschichte führen. "Mein Wissen hält sich natürlich noch in Grenzen", erklärt die 29-Jährige direkt zu Beginn den Zuhörern, "Ganz sicher haben einige von Ihnen viel mehr Background über Ratingen als ich - scheuen Sie bitte nicht, dies auch mit einzubringen."

Die Besucherinnen - allesamt Frauen ab fünfzig - nicken verständnisvoll. "Ich komme eigentlich aus Kiel und besuche hier nur meine Mutter im Heim", erzählt eine Teilnehmerin, "ich möchte einfach nur ein wenig mein generelles Wissen erweitern. Es muss gar nichts so in die Tiefe gehen, das Meiste vergisst man eh", sagt sie und schenkt dann den Worten von Iris Palzer zur Stadtentstehung vollste Aufmerksamkeit.

"1276 wurde Ratingen vom Dorf zur Stadt erhoben. Voraussetzungen dafür waren unter anderem eine Stadtmauer, die hier in Ratingen aus einem inneren und einem äußeren Rand bestand. Dieses hier", die Volontärin zeigt auf eine vergilbte Urkunde hinter Sicherheitsglas, "ist die originale Stadterhebungsurkunde, unterzeichnet von Graf Adolf von Berg und seiner Gemahlin Elisabeth. Es ist schon auffällig, dass nicht nur er, sondern auch sie als Frau mit unterschreiben durfte, was von Gleichberechtigung an dieser Stelle zeugt." Die kleine Truppe wandert einige Schritte weiter, bleibt vor einem Pranger stehen. "Mit dem Stadtrecht wurde Ratingen auch mit einer eigenen Gerichtsbarkeit ausgestattet. Hier wurden nicht nur Hinrichtungen, sondern auch Folterungen durchgeführt, wie an diesem Pranger - sobald sich jemand etwas zu Schulden kommen ließ", erklärt Iris Palzer.

Es geht um die Zeit der Aufklärung, um Religionen in Ratingen, um Schützenvereine. Einem Portrait von Kurfürst Carl Theodor, der 1773 die Kunstakademie in Düsseldorf gegründet hat, wird einen Moment lang ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt. Ein besonderer Schwerpunkt der rund 30-minütigen Führung aber liegt in die Zeit der Industrialisierung. "Ratingen war mit der Baumwollspinnerei Cromford im Jahre 1783 der erste Industriestandort auf dem europäischen Festland", erklärt Iris Palzer. Die Kieler Teilnehmerin hat währenddessen ein Exponat entdeckt, dass sie magisch anzieht: das Exponat einer Legende, die für Freiheit, Weiblichkeit, Unabhängigkeit steht: die Vespa. Original im klassischen 50er Jahre Design steht sie auf einem Podest, ihr Chrom glänzt. Die norddeutsche Besucherin tut sich schwer, sie vor Begeisterung nicht zu berühren. Und das, was sie nun erfährt, kann sie kaum glauben. "Durch einen Lizenzvertrag mit Piaggio durfte die Vespa Anfang der 50er Jahre von der Firma Hofmann in Ratingen gebaut werden".

Ratingen - eine Stadt in der weltberühmte Produkte hergestellt wurden, oder aber Produkte für weltberühmte Leute. "Dieser Roboter der Ratinger Maschinenbaufirma Tünkers" - Iris Palzer deutet auf einen seltsamen Stahlkonstrukt", hat sogar 2002 in einem James Bond Film mitgewirkt. Dabei wurde Halle Berry an ihm festgeschnallt".

(RP)
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