Radevormwald Milchbauern kämpfen um ihre Existenz

Radevormwald · Die Milchquote ist Geschichte. Die Landwirte leiden unter extrem niedrigen Preisen. Sie können melken, was ihre Kühe hergeben. Tun sie aber nicht. Ortslandwirt Holger Gesenberg erweitert nur behutsam.

 Ortslandwirt Holger Gesenberg mit einer symbolischen Milchkanne. Die Preise, die Landwirte für Milch erhalten, sind nicht kostendeckend.

Ortslandwirt Holger Gesenberg mit einer symbolischen Milchkanne. Die Preise, die Landwirte für Milch erhalten, sind nicht kostendeckend.

Foto: Jürgen Moll

Mehr als 30 Jahre deckelte die Europäische Union mit Hilfe der Milchquote, die 1984 eingeführt wurde, die Menge. Es sollte nur so viel Milch produziert werden, wie verbraucht wurde, um Butterberge und Milchseen zu verhindern. Die genaue Menge, die ein Landwirt liefern durfte, legte ein Milchkontingent fest. Seit April ist die Quote, die jahrzehntelang den Markt prägte, Geschichte. Bedeutet: Milchbauern können melken, was ihre Kühe hergeben. Sie tun es aber nicht.

Nach dem Ende der Milchquote zum 1. April gab es bundesweit sogar erst einmal ein geringeres Milchaufkommen als zur selben Zeit im Vorjahr. "Gegen einen schlechten Preis kann man eben nicht anmelken", betont Ortslandwirt Holger Gesenberg aus Altendorf. Überproduktion und weiterer Preisverfall drohen. Erst Mitte Mai durchbrach die deutsche Milchanlieferung die Vorjahreslinie. Holger Gesenberg trauert der Quote nicht hinterher: "Sie hat ihren Zweck nicht erfüllt. Denn weder der Milchpreis blieb stabil, noch wurde der Strukturwandel abgebremst", erklärt der 46-Jährige. Im März, als es die Milchquote noch gab, erhielten die deutschen Landwirte 28 Cent pro Liter Milch. Mehr ist es seitdem nicht geworden.

"Ich rechne nicht damit, dass der Milchpreis bald wieder steigt. Ich bin schon froh, wenn er nicht weiter fällt", sagt der Milchbauer. Der Hof in Altendorf soll nämlich in Zukunft noch eine Familie mehr ernähren: Sohn Torben Gesenberg (23) hat seinen Abschluss als Agrarbetriebswirt in der Tasche und steigt in den Betrieb mit ein. "Wir bauen gerade einen weiteren Kuhstall und stocken Schritt für Schritt von 95 auf 130 Tiere auf", sagt Holger Gesenberg und ergänzt, "wir kämpfen uns einfach durch, mein Sohn hat anscheinend das Landwirtschafts-Gen geerbt. Die jetzige Durststrecke schreckt ihn nicht ab."

Gesenberg ist "mit Leib und Seele" Landwirt. "Ich arbeite mindestens 60 Stunden pro Woche und kann mir derzeit nicht einmal den Mindestlohn zahlen", sagt er. Viele Existenzen sind bedroht, kleinere Familienbetriebe müssen aufgeben. "Wir haben gespart, als die Milchpreise vor zwei Jahren noch deutlich höher waren - das hält uns aktuell über Wasser", sagt Gesenberg. Im Oberbergischen Kreis halten der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zufolge 300 Bauern etwa 20 000 Milchkühe. Im Bergischen Land insgesamt gibt es rund 30 000 Tiere. Der Trend geht zu immer größeren Betrieben und auch zu höheren Milchleistungen je Tier: Während jeder Halter 2010 dem Statistischen Bundesamt zufolge durchschnittlich 45 Milchkühe in seinem Stall stehen hatte, sind es aktuell bereits 57 Tiere. Derzeit gibt es in Deutschland 2600 Milchkuh-Halter mit mindestens 200 Milchkühen. Vor fünf Jahren waren es lediglich 1800 in dieser Größenordnung.

Kopfzerbrechen bereiten Holger Gesenberg - wie vielen anderen Milchbauern - vor allem der Preiskampf, der von den Discountern angeheizt wird, und der Einfuhrstopp von Molkereiprodukten nach Russland. Der Großkunde hatte bis zum vergangenen Sommer zwei Prozent der deutschen Milchproduktion gekauft - insbesondere in Form von Butter und Käse. "Wir sehnen ein Ende des Boykotts herbei", sagt Gesenberg. Die bergischen Bauern sind schließlich Teil des Weltmarkts. Sie merken auch, dass die Nachfrage aus Asien gebremst ist.

Sparen kann der Rader Ortslandwirt höchstens an Maschinen, die er auf Wiesen und Feldern einsetzt: "Ob ich Geräte neu anschaffe, das überlege ich mir in der jetzigen Situation dreimal. Eigentlich bräuchten wir eine neue Heumaschine. Ich spiele jetzt schon mit dem Gedanken, mir eine zu mieten."

(RP)
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