Julian Und Roman Wasserfuhr "Jazz kann alles sein"

Radevormwald · Julian und Roman Wasserfuhr sind aus der nationalen und internationalen Jazz-Szene nicht mehr wegzudenken. Im Interview sprechen die Hückeswagener darüber, ob sie Mainstream sind, warum Heimat so wichtig ist und wann es das Wasserfuhr-Bier zur Verkostung geben soll.

 Die beiden Brüder Julian (r.) und Roman Wasserfuhr auf dem Balkon des Elternhauses an der Heidenstraße in Hückeswagen. Mittlerweile wohnt nur noch Julian Wasserfuhr bei den Eltern, Roman Wasserfuhr ist kürzlich ausgezogen.

Die beiden Brüder Julian (r.) und Roman Wasserfuhr auf dem Balkon des Elternhauses an der Heidenstraße in Hückeswagen. Mittlerweile wohnt nur noch Julian Wasserfuhr bei den Eltern, Roman Wasserfuhr ist kürzlich ausgezogen.

Foto: BM-Foto Jürgen Moll

Mit "Landed in Brooklyn", Eurem aktuellen Album, seid Ihr erstmals in den Charts. Erobert Ihr jetzt den Mainstream?

Julian Wasserfuhr Keine Ahnung, wir machen immer das, worauf wir Lust haben. Mal gucken, was kommt. Aber es wird jedenfalls nicht in die poppige Richtung gehen.

Das Album ist gleichzeitig anspruchsvoll und eingängig. War da beim Komponieren Kalkül im Spiel?

Julian Wasserfuhr Nein, diesmal sind ja auch einige Stücke dabei, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Eines etwa wurde bereits vor fünf Jahren geschrieben, ein anderes ist allerdings erst zwei Wochen vor den Aufnahmen entstanden. Es war aber insgesamt kein entsprechender Gedanke im Hintergrund. Wir haben einfach Stücke genommen, die wir gut finden und die dann aufgenommen. Es gab kein Konzept oder eine Idee hinter "Landed in Brooklyn".

Roman Wasserfuhr Bei den vorherigen Alben habe ich oft gedacht: Wie passt das jetzt so zusammen? Ich hatte immer das Bedürfnis, dass da ein roter Faden, ein Spannungsbogen sein muss. Diesmal haben wir uns aber wirklich keine Gedanken gemacht, ob die Stücke irgendwie zusammenpassen. Wir haben sie dann nur noch in die passende Reihenfolge gebracht. Es ging sehr spontan und improvisiert vor sich.

Das Konzept war also kein Konzept?

Roman Wasserfuhr Ja, genau.

Wollt Ihr auf diese Art weiterarbeiten?

Roman Wasserfuhr Es hängt immer davon ab, wo man sich aufhält, was man gerade an Musik hört und worauf man Lust hat. Wenn man eine Balladenplatte mit Streichorchester macht, wird das konzeptionell ganz anders zugehen, als wenn man eine Bandaufnahme macht. Da muss man sich viel weniger vorbereiten und hineindenken, praktisch nur die Songs schreiben.

Wie viel Eingängigkeit verträgt Jazz?

Julian Wasserfuhr Jazz ist ja nicht so definiert, er ist keine Schubladenmusik. Im Hip Hop ist ja auch viel Jazz. Jazz kann alles sein. Von Mainstream wie ihn Till Brönner macht bis zum Free-Jazz. Man muss sich einfach immer neu erfinden und zusehen, dass man nicht langweilig wird.

Roman Wasserfuhr Ich glaube, Eingängigkeit ist nicht mit Einfachheit gleichzusetzen. Es kann auch ein komplett vertrackter und komplexer Song sehr eingängig sein - wenn er etwas transportiert. Auch auf der neuen Platte sind solche Songs dabei, mit 7/4-Takt-Rhythmus - und trotzdem höre ich von vielen Leuten, die nicht ausgewiesene Jazz-Freunde sind, dass diese Lieder ihnen besonders gefallen.

Wie war es bei den Aufnahmen in New York?

Julian Wasserfuhr Von der Stadt haben wir nicht viel mitbekommen. Wir haben aufgenommen und Fotos gemacht. Es ist halt aufregend, dass dort an allen Ecken Musik passiert. Jazz ist dort allgegenwärtig. Im Club, im Restaurant, sogar bei Dunkin' Donuts lief Jazz im Hintergrund.

Roman Wasserfuhr Musik ist dort mehr ins Leben einbezogen, gehört zum Alltag.

Was haben die amerikanischen Musiker zu den "Jazz-Brüdern aus Deutschland" gesagt?

Roman Wasserfuhr Das war sehr entspannt, gerade so, als hätten wir schon immer zusammen musiziert.

Julian Wasserfuhr Das liegt mit daran, dass Musik eine universale Sprache ist. Wenn einer spielen kann, dann ist es cool. Wenn man miteinander harmoniert, dann ist es ganz egal, woher man kommt. Und den Bassisten Tim Lefebvre kannten wir ja ohnehin schon.

Wie wichtig ist Euch bei aller Weltzugewandtheit die Heimat?

Julian Wasserfuhr Es ist immer wieder schön zurückzukommen, weil es hier ein wenig ruhiger ist. Wenn ich aber den Trubel gar nicht hätte, dann fände ich es nicht so gut, nur hier zu wohnen. Weil es mir zu ruhig wäre. Man muss erst etwas erleben und sehen, dann kommt man zurück und kann das Erlebte verarbeiten.

Roman Wasserfuhr Das ist bei mir ähnlich. Wenn man als Jazz-Musiker mit so vielen Einflüssen und improvisierter Musik nur mit dem zurückhaltenden Bergischen konfrontiert wird, ist das nicht ganz so einfach. Aber die Mischung ist sehr interessant.

Wie wichtig ist da das Leben im Elternhaus? Oder zieht Ihr jetzt doch bald aus?

Roman Wasserfuhr Ich bin tatsächlich kürzlich ausgezogen, wohne aber immer noch in Hückeswagen. Wichtig ist, dass man sich gut versteht mit seiner Familie, man kann sich blind vertrauen und über alles sprechen. Das erdet einen zusätzlich. Vor allem sind unsere Eltern auch diejenigen, die unsere menschliche und musikalische Entwicklung von Anfang an mitbekommen haben. Die wissen, wie niemand sonst, was da alles passiert ist, haben uns begleitet und unterstützt.

Wie entsteht eure Musik?

Julian Wasserfuhr Auf jeden Fall so gut wie nie an der Trompete. Entweder sitze ich am Klavier oder einem anderen Instrument und habe eine Idee - oder Roman. Manchmal entsteht zuerst ein Groove oder eine Melodie und das entwickeln wir dann gemeinsam weiter. Es passiert nicht immer zusammen, mal hat einer mehr entwickelt, mal der andere.

Roman Wasserfuhr Ich habe früher mehr gemacht. Einfach, weil ich vom harmonischen Denken und der Theorie halt schon ein paar Jährchen weiter war. Aber heute hat sich das total angeglichen.

Ist irgendetwas an Eurer Musik typisch bergisch?

Julian Wasserfuhr Die Trompete. Ansonsten aber nichts.

Roman Wasserfuhr Der Background natürlich, womit man eben aufgewachsen ist.

Julian Wasserfuhr Die Blasmusik, der Evangelische Posaunenchor.

Roman Wasserfuhr Natürlich prägt einen aber die Gegend, in der man wohnt. Der Lebensstil findet auch seinen Niederschlag in der Musik.

Es gibt auf Euren CDs außergewöhnliche Coverversionen. Nach welchen Kriterien wählt Ihr die aus?

Julian Wasserfuhr Gute Coverversionen sind es meiner Meinung nach dann, wenn sie so ganz anders als das Original sind. Etwa "Englishman In New York" von Sting, das musikalisch sehr fröhlich ist. Da haben wir versucht, das Gegenteil zu machen. Oder "L.O.V.E." von Bert Kaempfert - das ist bei uns eine Ballade geworden. Wichtig ist es, dass die Lieder eine Melodie haben. Das geht den Popsongs heutzutage fast völlig ab, das ist meistens sehr monoton. Gerade die deutschsprachigen Songs drehen sich eh immer nur ums gleiche Thema, und es fehlen schöne Melodien. Das kann man nur schlecht covern, die Suche ist schon schwer.

Wie geht es jetzt für Euch weiter?

Julian Wasserfuhr Wir spielen noch einige Konzerte, sind im Juli etwa in Südkorea. Nächstes Jahr wollen wir dann die neue Platte angehen. Da haben wir auch schon Ideen, aber noch ist nichts spruchreif.

Wie sieht es eigentlich mit Eurem Schnaff-Bier aus? Wird es das beim Altstadtfest geben?

Roman Wasserfuhr Wir sind gerade dabei, alles Organisatorische zu klären. Schön wäre ein Stand an der Marktstraße, an dem ein bisschen Musik gespielt wird und das Bier ausgeschenkt wird.

DAS INTERVIEW FÜHRTE WOLFGANG WEITZDÖRFER.

(RP)
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