Baum Für Bacchus? Fichte wie aus Märchenwald

Radevormwald · RADEVORMWALD Im Garten von Rolf Sander in Wilhelmstal nahe der Wupper-Talsperre steht ein Baum wie aus dem Märchenwald: eine große Fichte, komplett entrindet und von bizarrem Wuchs. Als "sagenhaft" empfindet Sander, Jäger und Naturfreund seit Jahrzehnten, das ungewöhnliche Baumgebilde, dessen Alter er auf etwa 60 Jahre schätzt. "Sagenhaft" meint der Rader wörtlich: Die Fichte erinnert ihn an Sagen und Mythen aus vorchristlicher Zeit, als Völkerstämme wie Germanen oder Kelten an unsterbliche Götter mit Sitz in heiligen Waldhainen glaubten.

RADEVORMWALD Im Garten von Rolf Sander in Wilhelmstal nahe der Wupper-Talsperre steht ein Baum wie aus dem Märchenwald: eine große Fichte, komplett entrindet und von bizarrem Wuchs. Als "sagenhaft" empfindet Sander, Jäger und Naturfreund seit Jahrzehnten, das ungewöhnliche Baumgebilde, dessen Alter er auf etwa 60 Jahre schätzt. "Sagenhaft" meint der Rader wörtlich: Die Fichte erinnert ihn an Sagen und Mythen aus vorchristlicher Zeit, als Völkerstämme wie Germanen oder Kelten an unsterbliche Götter mit Sitz in heiligen Waldhainen glaubten.

"Dort, in den Hainen, trafen sich die Menschen, um ihren Göttern durch Opfergaben zu danken oder ihre Hilfe zu erbitten. Oft fanden diese Versammlungen unter alten oder urig verformten Bäumen statt", erzählt Sander. Die Fichte in seinem Garten ist auf eine Weise verformt, die Menschen früherer Zeiten möglichweise als mystisch empfunden hätten. Sander: "In alten Überlieferungen ist nachzulesen, dass für unsere Vorfahren Wald, Bäume, Tiere und Pflanzen Träger vieler Geheimnisse waren, deren Sinndeutung als Mythen Jahrhunderte überdauerte. Bäume und Menschen lebten schon immer in symbiotischer Beziehung."

Das spiegelt sich auch in der Literatur wider. Sander denkt da unter anderem an den "Heidedichter" Hermann Löns oder dessen Zeitgenossen Christian Morgenstern (beide starben 1914). Und er bedauert, dass vielen heutzutage zumindest ein Teil des Feingefühls für die Zusammenhänge in der Natur verloren gegangen sei. Sander: "Der Wald kann ohne uns Menschen leben, aber wir Menschen nicht ohne ihn." Er sieht die die alte Fichte deshalb auch als "Baum-Denkmal".

Natürlich gewachsen ist der Baum aber nicht an der Wupper in Wilhelmstal, sondern in Hückeswagen. Sander, Jagdpächter in der Außenortschaft Marke, entdeckte den ungewöhnlichen Baum beim Rundgang im Revier. In dem Waldgebiet ist die Fichte die Hauptbaumart. Ein Großteil des Bestandes hat mit einem Alter zwischen 60 und 80 Jahren das "Erntealter" erreicht. Sander bekam die Erlaubnis, die Fichte mitzunehmen. "Da hat sie seinen Ehrenplatz", sagt er. Und noch einmal kommt er auf die Sagenwelt der Antike zu sprechen: "Nach den fassähnlichen Verformungen im Stamm könnte dieser Baum Bacchus, dem Gott des Weines, gewidmet sein." Und weiß als Kenner der Natur auch um die naturwissenschaftlichen Hintergründe: "Diese Verbeulungen sind mit allergrößter Wahrscheinlichkeit Folgen einer Rindenverletzung, der Kambiumschicht, in jungen Jahren. Ein mikrobakterieller Befall der Wunden ist oft der Auslöser von stark knollenförmigen Wucherungen auch bei anderen Baumarten." Die Erklärung überzeugt - zauberhafter bleibt die Geschichte von Bacchus.

BRIGITTE NEUSCHÄFER

(RP)
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