Radevormwald Entschleunigung im Klassenzimmer

Radevormwald · Die Schüler und Lehrer der Sekundarschule haben sich an die neuen Unterrichtsmethoden gewöhnt. Dazu gehört auch, dass eine Schulstunde nicht mehr 45, sondern 60 Minuten lang ist. Das fördert Selbstständigkeit und Teamgeist.

 Dadurch, dass in der Sekundarschule an der Hermannstraße eine Unterrichtsstunde 15 Minuten länger dauert, ist die Arbeitsatmosphäre für alle viel entspannter. Das wissen auch Karola und Joeanna zu schätzen.

Dadurch, dass in der Sekundarschule an der Hermannstraße eine Unterrichtsstunde 15 Minuten länger dauert, ist die Arbeitsatmosphäre für alle viel entspannter. Das wissen auch Karola und Joeanna zu schätzen.

Foto: Flora Treiber

An der neuen Sekundarschule läuft der Unterricht anders ab als an den anderen weiterführenden Schulen in Radevormwald. Wenn keine hochsommerlichen Temperaturen herrschen, dauert eine Schulstunde 60 Minuten. Das ist 15 Minuten länger als an den meisten anderen Schulen. In erster Linie sorgen die langen Schulstunden für eine entspanntere Arbeitsatmosphäre und einen entschleunigten Schulbetrieb. Die Konzentration der Fünftklässler strapazieren die vollen Stunden nicht. "Ganz im Gegenteil. Lange Schulstunden bieten mehr Raum für Reflexion und ordentliches Arbeiten", sagt Schulleiterin Sandra Pahl. Für die Lehrer, die teilweise jahrzehntelang im 45-Minuten-Rhythmus gearbeitet haben, war die Umstellung eine größere Herausforderung. "Wir waren an die 45 Minuten gewöhnt und hatten diese Zeit einfach im Blut. Im letzten Jahr haben wir uns umgewöhnt", sagt Pahl.

Während sie sich zwischen eigenen Unterrichtsstunden um die Leitung der Sekundarschule kümmert, bespricht Iris Timpanaro mit ihren Schülern einen Test, der in der nächsten Woche geschrieben wird. Die "Nawi-Stunde", in der naturwissenschaftliche Fächer wie Biologie, Chemie und Physik gebündelt unterrichtet werden, erfordert die volle Aufmerksamkeit der Schüler. Obwohl es in der Sekundarschule viele neue Unterrichtselemente gibt, kann auch hier nicht komplett auf Frontalunterricht verzichtet werden. Während Joel an der elektronischen Tafel versucht, die Zeichnung eines Stromkreises zu vervollständigen, rätseln die anderen Fünftklässler mit und unterstützen ihren Mitschüler.

Iris Timpanaro steht den Schülern helfend zur Seite und gibt richtungsweisende Impulse. An jeder Tafel der Sekundarschule hängt eine Drei-Phasen-Ampel, die einen Überblick über das Verhalten der Schüler gibt. Momentan steht, trotz einer gewissen Grundlautstärke, alles auf Grün. Wenn es zu laut in der Klasse wird, hebt Iris Timpanaro die Hand.

Virginia war vor Joel an der Tafel und trägt jetzt die richtigen Lösungen auf ihrem Arbeitsblatt ein. Bevor die Stunde zu Ende geht, wollen die Mädchen und Jungen unbedingt noch das Stromkreis-Spiel kennenlernen. Leon meldet sich, um der Schalter zu sein, Virginia schlüpft in die Rolle der Lampe und Finja und Giuseppe übernehmen die Rolle der Elektroden.

Der Differenzierungsraum, der mit einer Tür und einer Glasscheibe von dem Hauptraum des Klassenzimmers getrennt ist, wird nicht nur für stille Gruppenarbeit genutzt, sondern auch für Spiele. Nach mehreren Anläufen gelingt es den Schülern, den Stromkreis nachzustellen und in Gang zu setzen. Einmal am Tag steht "SegeL" auf dem Stundenplan der Sekundarschüler. 60 Minuten selbstgesteuertes Lernen bedeuten eigenständiges Abarbeiten von Arbeitsblättern oder gemeinsames Arbeiten in kleinen Gruppe.

Karola und Joeanna sitzen gerne nebeneinander, weil sie sich gegenseitig helfen können. Heute entziffern sie ein Gedicht und versuchen Matheaufgaben zu lösen. Die fertigen Arbeitsblätter lassen sie von Iris Timpanaro kontrollieren und abstempeln. "Ich mag diese Stunden, weil wir dann selbst entscheiden können, was wir machen", sagt die elfjährige Karola. "Stimmt. Und es ist meistens ruhig", sagt Joeanna.

Ganz still ist es im Differenzierungsraum, in den sich Thomas und Tom zurückgezogen haben. Beide nutzen die "SegeL-Stunde", um an einem Gedicht aus dem Deutschunterricht weiterzuarbeiten. "In dieser Unterrichtsform lernen die Schüler, in einem eigenen Tempo zu lernen und selber einzuschätzen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen", sagt Iris Timpanaro. Und wenn am Ende einer Schulstunde noch genug Zeit übrig bleibt, gibt es für die Schüler eine abschließende Reflexion über ihr Verhalten und ihren Lernfortschritt.

(trei)
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