Reintraut Schmidt-Wien & Johannes Schmidt "Die Künstler rufen von sich aus bei uns an"

Radevormwald · Die Verantwortlichen des Lenneper Rotationstheaters ziehen eine positive Bilanz der abgelaufenen Spielzeit und blicken auf die aktuellen Trends.

 Vorhang auf für ein besonderes Theater: Reintraut Schmidt-Wien und Johannes Schmidt auf der Bühne des Lenneper Rotationstheaters.

Vorhang auf für ein besonderes Theater: Reintraut Schmidt-Wien und Johannes Schmidt auf der Bühne des Lenneper Rotationstheaters.

Foto: Hertgen (archiv)

Frau Schmidt-Wien, welche Veranstaltung der aktuellen Spielzeit hat Ihnen bislang am besten gefallen?

Schmidt-Wien Das dürften die beiden Vorpremieren von Guido Cantz gewesen sein in dieser abgelaufenen Spielzeit. Das war schon etwas Besonderes, denn solche Größen haben wir normalerweise im Rotationstheater nicht zu Gast. Wir haben sehr viele junge Künstler, die entweder erstmalig im Kleinkunstbereich auftreten. Aber auch solche, die im kleineren Rahmen schon viele Jahre lang unterwegs sind - und die uns dann über die Jahre die Treue gehalten haben.

Bei welchen Veranstaltungen war die Publikumsreaktion am besten?

Schmidt-Wien Die besten Publikumsreaktionen gibt es immer bei den Travestie-Veranstaltungen, also etwa bei den Auftritten von "Ham & Egg". Die hatten wir dieses Jahr erstmals für fünf Auftritte gebucht, davon alleine vier im Dezember. Wir hoffen, dass es so voll wird, wie sonst auch.

Schmidt Die bisherigen Resonanzen im Kartenvorverkauf sind schon entsprechend gut.

Auf welche Höhepunkte können sich die Besucher in der kommenden Spielzeit freuen?

Schmidt-Wien Das müssen wir sehen. Ein Highlight ist für mich das Puppenfestival am 10. September. Das ist zwar nur für einen Tag in diesem Jahr, aber ich habe dafür gesorgt, dass das Seifenblasentheater für drei Veranstaltungen an diesem Tag bei uns sein wird. Christopher Köhler kommt mit "Manisch magisch", und der Leiter der A-Capella-Band "Basta", William Wahl, kommt mit der Vorpremiere seines eigenen Programms "Wahlgesänge" zu uns. Da freue ich mich persönlich schon sehr darauf, denn er ist ein toller Musiker mit einem tollen Programm. Auch die Vorpremiere von "Dat Rosi" und ihrem neuen Programm "Dat Rosi im Wunderland" im September wird bestimmt sehr gut werden.

Wie lange planen Sie das Jahresprogramm im Voraus?

Schmidt-Wien Die Künstler fragen jetzt schon für 2019 an. Wenn ein Künstler anruft, will er immer den nächstmöglichen Termin festhalten, auch wenn der noch weiter entfernt ist. Zwischendurch habe ich immer noch Platz für einen neuen Künstler, etwa Jacqueline Feldmann, die im Oktober eine Vorpremiere bei uns auf die Bühne bringt. Also, es geht maximal zwei Jahre in die Zukunft. Und ich brauche dafür nichts zu tun, denn die Künstler oder ihre Agenturen rufen von sich aus bei uns an.

Wie "wagemutig" können Sie dabei sein? Gibt es "Experimente"?

Schmidt-Wien So viel Platz haben wir da ja nicht mehr frei.

schmidt Vielleicht zehn Prozent, maximal.

Schmidt-Wien Wir haben etwa 60 bis 70 Termine im Jahr und die sind recht schnell besetzt. Wenn es aber mal jemanden gibt, den ich unbedingt noch mit reinpacken will, dann geht das auch.

Wie stellt sich die wirtschaftliche Situation dar?

Schmidt Wir hatten gerade den Jahresabschluss für 2016 in der Vorstandssitzung besprochen. Und es sieht sehr gut aus. Wir hatten eine Umsatzsteigerung von etwa zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wir haben vor allem eine gute Steigerung im Vorverkauf verzeichnen können. Das liegt natürlich auch mit daran, dass wir unser Programm erweitert haben. Aber auch daran, dass die Veranstaltungen immer besser besucht werden. Termine, an denen wir mit sieben bis zwölf Besuchern im Theater saßen, wie das vor acht bis zehn Jahren immer wieder mal passiert ist, gibt es heute kaum noch. Da haben wir sehr gut daran gearbeitet - und werden das auch weiterhin machen. Die Programmplanung ist da natürlich ebenfalls ein wichtiger Faktor.

Schmidt-Wien Dennoch haben wir natürlich mit mangelnder Unterstützung von außen zu kämpfen. Man merkt etwa, dass der "Kultur-Euro" für die Institutionen vor etwa fünf Jahren weggefallen ist.

Wie sieht der klassische Rotationstheater-Besucher aus?

Schmidt-Wien Unser Publikum wird immer älter...

Schmidt Wir ziehen ein 50-plus-Publikum, so nennen wir das intern immer.

Schmidt-Wien Das hat mit dem Programm allerdings nichts zu tun, denn ich buche in der Regel mehr junge als ältere Künstler. Aber das junge Publikum geht wohl eher in die Großstädte.

schmidt Es kommt aber auch auf die Veranstaltung an. Abgesehen davon ist das 50-plus-Publikum sehr angenehm. Es verfolgt das Programm mit deutlich mehr Begeisterung, genießt mehr das Ambiente drumherum, sitzt gerne in der ersten Reihe.

Schmidt-Wien Auf der anderen Seite sind die Jüngeren auch froh, wenn sie einen Künstler wie Chris Tall, der in dieser Spielzeit auch bei uns war, nicht in der Köln-Arena nur mit dem Fernglas sehen können.

Das Rotationstheater ist klein und fein - wie wichtig ist der Charme der Räumlichkeiten?

Schmidt Ich bekomme im Büro beim Kartenvorverkauf ja die Extrawünsche der Besucher mit. Wir sind ja eines der wenigen Theater, in dem man nicht mit Nummer, sondern mit dem Namen seinen Platz reservieren kann. Die Leute kennen das Theater ganz genau und sagen dann, dass sie etwa in die zweite Reihe rechts, nicht neben der Säule oder hinten am Bistrotisch sitzen wollen. Es kommen sehr viele Besucher auch wegen dieser Serviceleistungen immer wieder gerne ins Rotationstheater. Das macht die familiäre Atmosphäre für sie mit aus.

Gibt es dazu Feedback der Künstler?

Schmidt-Wien Die Künstler sagen schon immer, dass sie gerne hier auftreten, dass es Spaß macht im Rotationstheater - aber ich weiß nicht, ob sie mir deshalb die Treue halten würden. Wobei da natürlich auch die Agenturen eine Rolle spielen. Wenn ein Künstler zum ersten Mal bei uns ist, heißt es aber schon immer: Boah, wie toll!

Welche neuen Trends sehen Sie in der Kleinkunst? Verändert sie sich?

Schmidt-Wien Im Comedy-Bereich gibt es ja sehr viele neue Leute. Da habe ich mich auch ein wenig zurückgezogen, weil mir das zu viel geworden ist.

Schmidt Die Kombination von Magie und Comedy funktioniert aber wohl sehr gut.

Schmidt-Wien Ich fände auch mal einen Puppenspieler, einen Bauchredner mit Puppe, sehr schön. Aber entweder sind die nicht gut genug - oder schon zu groß.

Welche neuen Künstler können Sie besonders empfehlen?

Schmidt Das war erst kürzlich Chris Tall, der ist ja abgegangen wie die sprichwörtliche Rakete. Vielleicht passiert das mit Jacqueline Feldmann jetzt ähnlich. Die war jetzt allerdings zwischendurch krank, und damit ist auch ihre Karriere auf Eis gelegt. Aber wenn die jetzt loslegt, dann startet sie bestimmt richtig durch.

Wie wichtig ist Ihnen die Nachwuchsförderung?

Schmidt-Wien Das ist ganz wichtig. Wenn ich von neuen Künstlern höre, dann bin auch sehr erpicht darauf, dass die zu uns kommen. Ich finde, sie haben es verdient, aufzutreten. Ich mag es sehr gerne, wenn junge Leute mit frischen und neuen Ideen kommen.

Welchen Stellenwert hat das Kindertheater?

Schmidt-Wien Das war leider in den vergangenen Jahren immer schlechter besucht, was ich total schade finde. Dabei ist das Niveau hervorragend. Aber irgendwie kommen auch die Kindergärten nicht mehr. Schmidt Vielleicht ist das auch die Zeit, wer weiß. Vielleicht ist es aber auch eine Art Auszeit, und es funktioniert irgendwann wieder.

Welchen Künstler, der noch nicht im Rotationstheater aufgetreten ist, würden Sie besonders gerne einmal buchen?

Schmidt Dieter Nuhr.

Schmidt-Wien Ach, ich bin eigentlich wunschlos glücklich. Alles, was ich brauche, kommt ja zu mir.

WOLFGANG WEITZDÖRFER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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