Radevormwald Der Milchpreis fällt ins Bodenlose

Radevormwald · Ein Liter Milch kostet beim Discounter nur noch 46 Cent. Weil der Milchpreis weiter fällt, sind Landwirte wie Holger Gesenberg in ihrer Existenz bedroht. Für die "Milchregion" Bergisches Land ist das fatal.

Radevormwald: Der Milchpreis fällt ins Bodenlose
Foto: thinkstock / Okea

Der Milchpreiskampf, den sich die Discounter und Supermärkte in Deutschland momentan liefern, ist wirtschaftlich betrachtet das tiefste Tal, das deutsche Milchbauern seit Jahrzehnten durchstehen müssen. Ein Auf und Ab in der Branche ist zwar nicht neu, sagt Helmut Dresbach, "aber das ist kein Strukturwandel, sondern ein Strukturbruch", sagt der Vorsitzende der Kreisbauernschaft im Oberbergischen Kreis. Einige Familienbetriebe mussten im Preiskampf auf dem weltweiten Milchmarkt bereits kapitulieren.

In den vergangenen Monaten ist der Preis pro Liter um knapp 25 Prozent gesunken. Kunden zahlen im Discounter nur noch 46 Cent für ihre Frisch-, Voll- oder Halbfettmilch. Das ist eine fatale Entwicklung, insbesondere für das Bergische Land, das eine "Milchregion" ist: Im Oberbergischen Kreis ist die Kreisbauernschaft der Ansprechpartner für mehr als 1000 Landwirte, davon haben 280 Betriebe Milchkühe. Der Boden bietet dafür beste Voraussetzungen, denn zu 92 Prozent bestehen die Flächen hier aus dem artenreichen Grünland. "Hier leben die Leute vom Milchpreis", sagt Dresbach. Es sind alles Familienbetriebe, die seit Monaten in arger Bedrängnis stecken.

Eine Wahl haben die Landwirte aber nicht, weil sie nicht so einfach auf andere landwirtschaftliche Produkte umschwenken können. "Das Grünland darf nicht in Ackerland umgewandelt werden", erklärt Helmut Dresbach und spielt auf das Umbruchverbot an, dass das in Deutschland stark gefährdete "artenreiche Grünland" schützen soll.

Dieser Struktur- und Umweltschutz ist wichtig, für die Landwirte wird er aber immer mehr zum wirtschaftlichen Verhängnis. Und der Milchpreisverfall spielt mit hinein. Dresbach macht das betroffen - und Ortslandwirt Holger Gesenbach aus Radevormwald ist davon ebenfalls so richtig betroffen. Denn auch die Milch seiner 115 Kühe holen die Molkerei-Riesen "FrieslandCampina" und "Arla", die größten Abnehmer von Milch aus dem Bergischen Land, mit ihren Tankwagen ab. Gut 27 Cent zahlen sie derzeit. Laut Gesenberg liegen die Vollkosten aber deutlich höher. "Von 40 Cent kann der Durchschnittsbetrieb leben", sagt er. Von einigen Kollegen habe er bereits gehört, dass sie aufhören werden. Andere Milchbauern greifen seit Monaten auf eigene Rücklagen zurück, um die "Durststrecke" zu überstehen.

Im Schnitt waren es zuletzt jährlich vier Prozent der Milchbauern im Kreis, die aufgeben mussten - das war selbst in Zeiten der "Milchquote" so. Seitdem diese zum 1. April 2015 abgeschafft wurde, ist das Problem gewachsen: Die Milchquote deckelte über 32 Jahre die Produktionsmenge. Vergangenes Jahr begannen die Bauern also, mehr Milch zu produzieren, geblendet von dem Versprechen der "Experten" aus der Politik, die Nachfrage werde wachsen. Das Russland-Embargo und die Wirtschaftskrise in China ließen diese Blase platzen.

Nun fällt der Preis, weil zu viel Milch auf dem Markt ist. "Aber es wird ja nicht mehr Milch gekauft, nur weil sie günstiger ist", sagt Gesenberg. Er glaubt, dass zunächst die kleinen und mittleren Betriebe schließen werden. "Wenn es dann weniger Milch gibt, kann es besser werden." Den Endverbraucher treffe zwar keine Schuld. "Es hilft aber, Markenprodukte zu kaufen." Denn das Milchgeld komme den Landwirten vor Ort zugute.

Wer Billigprodukte kauft, der trinkt Milch von Kühen, die in Hamburg, Brandenburg oder gar in Bayern stehen.

(ball)
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