Radevormwald Das "kalte Herz" in zwei Versionen

Radevormwald · Der Kulturkreis brachte "Das kalte Herz" auf die Bühne, das Seniorenkino das Märchen auf die Leinwand, für das der Radevormwalder Christian Zipperle das Drehbuch geschrieben hat. Gunda Schaub hat beide Fassungen gesehen.

 Peter Munk (am Boden: Josia Krug) ist reich, aber ohne Herz. Das Glasmännlein (Johanna Freyja Iacono-Sembritzki) versucht, ihn auf den rechten Weg zu führen.

Peter Munk (am Boden: Josia Krug) ist reich, aber ohne Herz. Das Glasmännlein (Johanna Freyja Iacono-Sembritzki) versucht, ihn auf den rechten Weg zu führen.

Foto: Björn Hickmann (Archiv)

Das Märchen von Wilhelm Hauff "Das kalte Herz" hat in Radevormwald Hochsaison. Im Oktober wurde die aktuellste Verfilmung im Seniorenkino gezeigt, für die der Radevormwalder Christian Zipperle das Drehbuch geschrieben hat, am Mittwoch kam das Rheinische Landestheater mit seiner Inszenierung des Märchens ins Bürgerhaus. Die Radevormwalderin Gunda Schaub hat sowohl den Kinofilm als auch das Theaterstück gesehen und zog Mittwochabend ein überraschendes Fazit. "Das Theaterstück ist kurzweilig und hat das Märchen sehr modern interpretiert. Die erste Hälfte ist wie im Flug vergangen", sagt sie.

"Das kalte Herz" thematisiert den aufkommenden Kapitalismus am Anfang des 19. Jahrhunderts und die Fokussierung des Menschen auf sich selber und sein eigenes Wohl. Diese Gesellschaftskritik hat Rebekka Kricheldorf in ihrer humorvollen und ironischen Fassung in den Mittelpunkt gestellt. Der erhofften verantwortungsbewussten Empathie setzt sie den rücksichtslosen Egoismus entgegen. Die Protagonisten und Geister des Stücks hat das Rheinische Landestheater, genau wie den Wald als Schauplatz, überzeichnet, puppenähnlich dargestellt. Aufgelockert wird das Theaterstück durch Live-Musiker und Tanzeinlagen, die neue Pop-Songs von Künstlern wie Peter Fox und Rosenstolz in das Märchen integrieren. Diese exzentrische, bildlich sehr gelungene und stimmungsvolle Darbietung genoss Gunda Schaub Mittwochabend sichtlich.

"Ich bin wirklich positiv überrascht. Während ich den Film als sehr lang empfunden habe, ist dieses Stück modern und konzentriert sich auf die wesentlichen Aussagen des Märchens." Die sind ihr, als erfahrene Demokratin, zwar ohnehin bewusst, aber sich Werte wie Rücksichtnahme, kollektives Verantwortungsbewusstsein und Ehrlichkeit noch einmal vor Augen zu führen, kann nicht schaden. "Die Essenz aus dem Märchen habe ich in meinem Alter schon selber erlebt und bin in den Jahrzehnten mit den Höhen und Tiefen des Lebens vertraut geworden. Für junge Menschen ist das Märchen sicherlich sehr lehrreich. Es macht für die wirklich wichtigen Dinge im Leben sensibel und verurteilt Eigenschaften wie Gier", sagt Schaub.

Für die 76-Jährige gehört der Gang ins Theater mittlerweile mehr in ihren Alltag. Als Schülerin war sie bereits viel in Theatern unterwegs, aber diese Leidenschaft ging irgendwann aus Zeitmangel verloren. Die Stücke des Rader Kulturkreises sucht sie sich jetzt gezielt aus und geht immer dann ins Bürgerhaus, wenn es ihr Kalender erlaubt. Dass es kulturelle Angebote in Radevormwald gibt, die auf Senioren abgestimmt sind, lobt sie. "Das Seniorenkino ist eine tolle Aktion, von der sehr viele Menschen in der Stadt profitieren", sagt Schaub und richtet sich damit an Wolf-Rainer Winterhagen, der das Seniorenkino als Vorsitzender des Seniorenbeirats organisiert. Nach der Pause freute Gunda Schaub sich am Mittwoch, genauso wie alle anderen Besucher, auf die zweite Hälfte von "Das kalte Herz", die ebenso gelungen und lebendig war wie der erste Teil.

(trei)
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