Radevormwald Christliche Tradition und Kultur verteidigen

Radevormwald · Der reformierte Pfarrer Dr. Dieter Jeschke spricht über neue Bedrohungen durch Terror und die Herausforderungen.

 Pfarrer Dr. Dieter Jeschke von der Reformierten Kirchengemeinde setzt sich mit neuen Herausforderungen für die Christen auseinander.

Pfarrer Dr. Dieter Jeschke von der Reformierten Kirchengemeinde setzt sich mit neuen Herausforderungen für die Christen auseinander.

Foto: hdö (Archiv)

Eine außergewöhnliche Predigt hielt am Sonntag Pfarrer Dr. Dieter Jeschke: Beim Gottesdienst in der Reformierten Kirche am Markt ging es um die Bedrohung durch den IS-Terror und das christliche Gebot der Feindesliebe. Der Pfarrer fand klare Worte, zeigte sich aber auch selbstkritisch mit sich, der kirchlichen Institution und der politischen Haltung im Land. "Wir müssen die Wahrheit aussprechen, um Probleme zu lösen, statt um eines romantischen Harmoniebedürfnisses willen alles zu verschweigen."

Wie soll es eigentlich weitergehen mit unserer Welt?, fragte sich Jeschke, der vor seiner Predigt warnte: "Ich werde politischer sein, als man es sonntags von mir gewohnt ist." Kein Thema habe die Menschen in den vergangenen Wochen so sehr beschäftigt, wie der immer größer werdende Hass und Terror auf der Welt. "Die aktuelle Lage gibt uns das Gefühl, dass uns der Boden unter den Füßen wegbricht, die Angst überwältigt uns."

Halt suchten viele in ihrem Glauben und stellten sich dabei die Frage, wie Christen mit der Situation umzugehen haben. Sollten sie etwa immer wieder die andere Wange hinhalten, wie es in der Bibel steht, oder sollten sie sich doch eher wehren, zur Not auch mit Waffengewalt? "In der Bibel kommt das Wort 'Feinde' mehr als 450 Mal vor, doch in den Sonntagspredigten werden solche Texte nicht berücksichtigt", gestand der Pfarrer. "Nur unter dem Titel der 'Feindesliebe' wird man fündig."

Das solle wohl die Produktion von christlichen Feindbildern verhindern. Seinen Feind zu lieben, solle aber nicht heißen, ihm alles durchgehen zu lassen. "Auch Liebe und Toleranz haben eine Grenze." Klare Standpunkte, die Jeschke von der Kirche vermisse. "Als der IS Tausende Jesiden abschlachtete, gingen Jesiden in Deutschland auf die Straße. Als der IS im Irak Christen tötete, habe ich solche Stimmen der Kirchen vermisst", sagte Jeschke. Gestand sich aber auch selbst ein: "Auch ich habe nichts gemacht." Die Landeskirche zeige immer wieder Verständnis, wenn sich etwa muslimische Mitbürger mit Berufung auf die Religionsfreiheit den hier vorherrschenden Gepflogenheiten und der Gleichberechtigung der Geschlechter entzögen. "Ich habe keins dafür", sagte Jeschke.

Sollten sich Christen denn nun in letzter Instanz mit Waffengewalt zur Wehr setzen? "Wir Westeuropäer sollten uns mit voreiligen Urteilen zurückhalten und uns nicht anmaßen, von hier aus den Betroffenen in den Kriegsregionen vorschreiben zu wollen, was sie zu tun haben." Allerdings sieht auch Jeschke Handlungsbedarf im eigenen Land, fordert eine offene Diskussion und kritisiert "das romantische Gerede von einer multikulturellen Gesellschaft" - ohne, dass damit verbundene Probleme offen angesprochen würden. Man könne sich nicht alles schönreden und Probleme weiter verschweigen, man müsste sich auch eingestehen, "dass in einem toleranten Gewächshaus der Multikulturalität auch giftige Pflanzen gedeihen können."

Dass Religion für politische Zwecke missbraucht werde, sei keineswegs ein muslimisches Problem, stellte Jeschke ebenfalls klar, und nannte den nordirischen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten als Beispiel. "Eine Lösung für all diese Konflikte habe ich nicht", gestand sich der Pfarrer offen ein: "Zweierlei sind mir aber wichtig: selbstbewusste Christen, die ihre Tradition und Kultur verteidigen, und, dass wir uns vom Hass nicht anstecken lassen. Zur Feindesliebe gehöre nämlich nicht, für einen großen Stein einen noch größeren Keil zu nutzen, sondern genauer hinzuschauen, die Menschen nach ihrem Herzen und nicht nach ihrer Religion zu unterscheiden."

Im Anschluss lud Jeschke die Gemeindeglieder noch zu einer Nachbesprechung ein. Viele blieben und bedankten sich bei ihrem Pastor für die klaren Worte. "Ein großes Lob für ihre Predigt", sagte Horst Kirschsieper. "Seit Jahrzehnten habe ich so etwas in der Kirche vermisst. Ich hoffe, es macht Schule."

(sebu)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort