Neuss Zweifel an Neusser Parkinson-Verband

Neuss · Ein Schwarzbuch wirft der deutschen Parkinson-Vereinigung (dPV) Verschwendung und zu große Nähe zur Pharmaindustrie vor. Die dPV-Geschäftsführung erwägt juristische Schritte gegen die Veröffentlichung des Berichts. Der Bundesvorstand schweigt zu den Kritikpunkten.

 Friedrich-Wilhelm Mehrhoff, Bundesgeschäftsführer der dPV, soll 200.000 Euro Gehalt bekommen.

Friedrich-Wilhelm Mehrhoff, Bundesgeschäftsführer der dPV, soll 200.000 Euro Gehalt bekommen.

Foto: Ralph Matzerath

Der Weg in die Bundesgeschäftsstelle der deutschen Parkinson-Vereinigung (dPV) an der Neusser Moselstraße führt durch ein eher schäbiges Treppenhaus. Unscheinbar ist auch das Messingschildchen an der Etagentür im zweiten Stock. Bescheiden gibt sich die Zentrale, doch nur nach außen. Für Ulrich Rudolphs und Paul Hansen liegt hinter dem Kokosfußabtreter ein "Machtzentrum mit Informationsmonopol". Kaum kontrollierbar. Und, so klagen beide an, zu einem Selbstbedienungsladen verkommen. Von Verschwendung ist die Rede, aber auch von einer zu großen Nähe zur Pharmaindustrie.

Der Sitz der dPV in Neuss an der Moselstraße. Der Audi A6 Avant S-Line (ca. 48.000 Euro) ist der Dienstwagen des Geschäftsführers Mehrhoff.

Der Sitz der dPV in Neuss an der Moselstraße. Der Audi A6 Avant S-Line (ca. 48.000 Euro) ist der Dienstwagen des Geschäftsführers Mehrhoff.

Foto: Lothar Berns

Ihre Vorwürfe haben die beiden selbst an Parkinson leidenden Insider in einem Schwarzbuch zusammengetragen. Auf 76 Seiten wollen sie "eine etwas andere Sicht" auf die vor 29 Jahren in Neuss gegründete Selbsthilfevereinigung eröffnen. Am Donnerstag soll ihr Buch im Kölner Claus Richter Verlag erscheinen. Soll. Denn weil auch die kleine Auflage von nur 500 Stück offenbar geeignet scheint, es der Geschäftsführung und dem Bundesvorstand mulmig werden zu lassen, ließ Bundesgeschäftsführer Friedrich-Wilhelm Mehrhoff am Montag durch sein Vorzimmer ausrichten, es würden juristische Schritte gegen eine Veröffentlichung des Buches untersucht. Interviewwünsche lehnte er ab, einen Besuch der Geschäftsstelle auch.

Die residiert, so hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schon am Samstag verbreitet, mit insgesamt vier Mitarbeitern auf 360 Quadratmetern Bürofläche nicht eben beengt. Monatsmiete laut Spiegel: knapp 5000 Euro. Laut Haushaltsplan kämen Personalkosten in Höhe von 350.000 Euro hinzu. 200.000 davon soll der Geschäftsführer einstreichen. Ein, so der Spiegel, "für die Selbsthilfeszene sensationelles Gehalt". 58 Prozent der Gesamtausgaben soll allein die Bundesgeschäftsstelle verschlingen, entnimmt der Spiegel dem Bericht eines Wirtschaftsprüfers. Und die Parkinson-Vereinigung, mit fast 24 000 Mitgliedern siebtgrößte Patientenorganisation in Deutschland, gilt nicht als mittellos. Rund 930.000 Euro Mitgliedsbeiträge, 460.000 Euro Spenden und 765.000 Euro aus Erbschaften standen laut Spiegel im vergangenen Jahr auf der Einnahmenseite.

Die Verschwendungs- und Selbstbedienungsvorwürfe wurden gleich in Internetforen diskutiert. Von Verwunderung keine Spur. "Ob die Treber-Hilfe in Berlin (...) oder jetzt die dPV: Überall dort, wo die Kontrollmechanismen nicht greifen, kommt es zu solchen Auswüchsen in den großen Wohlfahrtsverbänden", lautete ein Eintrag im Forum von Spiegel-Online, während ein anderer Autor von der "Pervertierung eines sozialen Gedankens" und "Raffgier auf dem Rücken hilfloser Schwerkranker" spricht.

Der Bundesvorstand, den die Vorsitzende Magdalene Kaminski zunächst für Montag hatte zusammenrufen wollen, schwieg zu alledem. "Ein Fachanwalt für Medienrecht hat uns beraten, wir sollen über die Angelegenheit nicht sprechen", erklärt Margret von Renesse. Doch dann wehrt sich die zweite Vorsitzende aus Ratingen gegen eine zu große Nähe der Parkinson-Vereinigung zur Pharmaindustrie. "Es gibt Interessensgemeinsamkeiten mit bestimmten Firmen — und Gegensätze." Sie fühle sich "nicht im Saldo von irgendwem".

An der Basis im Rhein-Kreis löste die Diskussion keine Fragen aus. Theodor Schoppen, der Leiter der Regionalgruppe im Rhein-Kreis mit rund 140 Mitgliedern, sprach am Montag von einer Kampagne und erinnerte, dass ähnliche Vorwürfe schon vor Jahren für Schlagzeilen sorgten. Am Finanzierungsmodell — die Regionalgruppen führen die Mitgliedsbeiträge ab und erhalten zweimal jährlich eine Zuwendung für die Verbandsarbeit — findet Schoppen nichts zu beanstanden. Aber er gibt zu, dass er den Rechenschaftsbericht nur zur Kenntnis nimmt. "Ich werde den Teufel tun, mich da 100-prozentig mit zu befassen", sagt er. Ihn und die anderen Betroffenen drücken andere Sorgen — und um die wird es am Dienstagabend beim monatlichen Gesprächskreis im DRK-Seniorenhaus in Neuss gehen.

Darin erkennt Ulrich Rudolphs, der bis 2002 die U-40-Gruppe im dPV vertrat, ein Grundproblem bei der nun nötigen Aufarbeitung. Die Mitglieder seien gefordert, "den Laden aufzuräumen", sagt der Schwarzbuch-Verfasser. Aber das werde schwer. Denn in der Vereinigung sind vor allem ältere Menschen organisiert, krank und "vom Leben ausgezehrt".

(dhk)
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