Neuss "Zeit ist Hirn"

Neuss · Bis zu 1600 Schlaganfall-Patienten jährlich werden in der "Stroke Unit" des "Johanna-Etienne-Krankenhauses" behandelt. Leiter ist Professor Jan Sobesky. Zum "Tag gegen den Schlaganfall" bietet er eine Telefonsprechstunde an.

 Professor Jan Sobesky ist seit kurzem Chefarzt am Johanna-Etienne-Krankenhaus. Zum "Tag gegen den Schlaganfall" steht er mit anderen Experten bei einer Telefonaktion am nächsten Dienstag Rede und Antwort.

Professor Jan Sobesky ist seit kurzem Chefarzt am Johanna-Etienne-Krankenhaus. Zum "Tag gegen den Schlaganfall" steht er mit anderen Experten bei einer Telefonaktion am nächsten Dienstag Rede und Antwort.

Foto: A.Woitschützke

Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Plötzliche Sprach- oder Sehstörungen, Gleichgewichtsprobleme oder Schwindel, Lähmungserscheinungen in Armen oder Beinen - das sind typische Symptome für einen Schlaganfall. Dann sollte sofort der Rettungsdienst unter 112 gewählt werden. "Denn ein Schlaganfall hat keine Zeit", sagt Professor Jan Sobesky, der neue Chefarzt der Neurologie am Johanna-Etienne-Krankenhaus (JEK). "Jede Minute, die verrinnt, sterben Nervenzellen ab. Je früher reagiert wird, desto höher sind die Chancen, Schäden minimieren zu können. Zeit ist Hirn", so Sobesky.

Der neue Chefarzt war Anfang des Jahres von der Berliner Charité nach Neuss gewechselt. Das JEK ist neurologischer Alleinversorger für rund 500.000 Einwohner. Mit 1400 bis 1600 Schlaganfall-Patienten pro Jahr verfügt die Klinik über die größte zertifizierte Schlaganfall-Akutstation - Stroke-Unit genannt - im Bereich Nordrhein. "Die Stroke-Unit ist eine interdisziplinäre Einheit, die die frühe intensive Versorgung von Schlaganfall-Patienten sicherstellt. Man kann sich das als Schlaganfall-Intensivstation vorstellen, in der verschiedene Fachdisziplinen zusammenarbeiten", erklärt Sobesky.

Frühe Diagnostik, klinische Untersuchungen, Computertomographie oder Magnetresonanztomographie vom Kopf, bildgebende Verfahren der Gefäße, schnelle Laborwerte, umgehende Untersuchungen des Herzens und des Kreislaufsystems sowie das Monitoring, also die dauerhafte, engmaschige Überwachung aller Vital-Parameter, werden hier sichergestellt. Zehn Betten hält das JEK vor, 2016 waren es noch sechs. Ein bis drei Tage verbleiben Patienten nach einem Schlaganfall auf einer Stroke Unit. "Das Behandeln auf einer Stroke Unit ist eine anerkannte Therapie", sagt Sobesky. Das möge vielleicht merkwürdig klingen, doch dass Schlaganfall-Patienten, die auf einer Stroke Unit behandelt wurden, ein besseres Ergebnis haben, sei gesichert.

Denn sobald die Diagnose feststeht, können umgehend Therapien wie beispielsweise die Thrombolyse eingeleitet werden. Dieses Verfahren ist nur bis zu viereinhalb Stunden nach dem Schlaganfall möglich. Dabei werden Medikamente über eine Vene verabreicht, die das Blutgerinnsel auflösen. Sind diese jedoch zu groß kann eine Thrombektomie von Nutzen sein. Bei dieser mechanischen Rekanalisation wird ein Katheter durch die Leiste in ein betroffenes Hirngefäß eingebracht und das Gerinnsel abgesaugt. "Diese Behandlung kann bis zu sechs Stunden nach einem Schlaganfall eingesetzt werden", erläutert der Chefarzt. Diese neue Methode wird seit Jahresanfang in der Neuro-Radiologie des Nordstadt-Klinikums angeboten.

Jedes Jahr erleiden rund 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Experten gehen davon aus, dass mindestens 70 Prozent davon vermeidbar wären. Zur Vorsorge empfiehlt Sobesky viel Bewegung, gesunde Ernährung, regelmäßige Blutdruck- und Blutfettkontrollen sowie Verzicht auf das Rauchen. Denn grundsätzlich gilt: Je gesünder die Gefäße, desto geringer das Schlaganfall-Risiko.

(BroerB)
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