Interview mit Andreas Meyer-Falcke "Wir müssen forschen und entwickeln"

Neuss · Der Chef der ITK Rheinland erklärt, wie er die Stadt Mönchengladbach integriert und wie er seinen Verband neu ausrichtet.

Herr Meyer-Falcke, am 1. Oktober tritt die Stadt Mönchengladbach offiziell dem Zweckverband bei, der die ITK Rheinland trägt. Die Zahl der betreuten Einwohner steigt um 25 Prozent auf dann 1,3 Millionen. Ist die ITK für den Zuwachs gerüstet?

Andreas Meyer-Falcke Es ist unser strategisches Ziel, dass wir in Qualität wachsen. Mit der Stadt Mönchengladbach schließt sich nun unser Wunschkandidat an, der bereits seit Jahren einzelne Anwendungen von uns nutzt. Das so gewonnene Vertrauen mündet jetzt in einer Vollmitgliedschaft. Das freut uns.

Kapazitätserweiterung und Mehrarbeit kann die ITK Rheinland leisten?

Meyer-Falcke Die technische Integration ist nicht das Problem, Rechnerkapazität ist vorhanden oder lässt sich leicht realisieren, denn wir müssen rund 3000 neue IT-Arbeitsplätze anschließen. Auch für die 60 Mitarbeiter, die jetzt zu uns finden, ist ausreichend Platz am ITK-Sitz im Hammfeld vorhanden. Die Zahl der kommunal Beschäftigten, für die die ITK nun IT-Dienstleister ist, wächst damit auf rund 15.000.

Ihre neuen Kollegen aus Mönchengladbach waren nicht begeistert, dass sie nun nach Neuss zur Arbeit anreisen müssen ...

Meyer-Falcke Das ist doch als erste Reaktion auch verständlich. Aber in der Praxis wird sich erweisen, dass wir gemeinsam den richtigen Weg gehen. Hier wird keiner geschluckt, sondern wir vernetzen uns auf Augenhöhe. Wir wissen, dass die Gladbacher Kollegen wertvolles Fachwissen und gute Ideen mitbringen. Davon werden wir alle profitieren. Im übrigen: Einige IT-Kollegen werden in der Gladbacher Verwaltung verbleiben, um den Support schnell und persönlich sicherzustellen.

Worin liegt der Vorteil, wenn der Verband wächst?

Meyer-Falcke Je größer das Volumen, umso preisgünstiger werden Anschaffung und der Betrieb. Da werden wir alle in Zukunft viel Geld sparen. Allein die Fusion mit Mönchengladbach spart für alle Verbandsmitglieder über einen Zeitraum von vier Jahren 5,7 Millionen Euro. Grundsätzlich erhöhen wir unsere Effizienz und Effektivität, weil nicht jede Mitgliedskommune das IT-Rad neu erfinden muss.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.

Meyer-Falcke Die ITK hat den technischen Relaunch des Internetauftritts der Landeshauptstadt Düsseldorf mit großem Einsatz und letztlich erfolgreich gestemmt. Der Mehrwert für den gesamten Verband liegt darin, dass alle die neue Leistung bei der ITK abrufen können. Wir erhöhen damit unser Produktangebot und steigern den Mehrwert für alle.

Die ITK gehört zu den drei größten kommunalen Rechenzentren in Nordrhein-Westfalen. Warum halten Sie nach weiteren Zugängen Ausschau?

Meyer-Falcke Die Digitalisierung ist das große Zukunftsthema. Unter Schlagworten wie E-Goverment, Open Data und SmartCity gilt das auch für unsere kommunalen Verwaltungen. Sie wird immer bedeutender für die Entscheidung, wohin Menschen ziehen oder wo sich Unternehmen niederlassen. Dabei kennt Digitalisierung keine Grenzen und ist wie kaum ein anderer Bereich für eine interkommunale Zusammenarbeit geeignet.

Ist die Digitalisierung in Ihren Augen eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wie die Energieversorgung oder die Abfallbeseitigung?

Meyer-Falcke Nein. Die IT ist lediglich ein Instrument, das Leben der Menschen in der Gemeinschaft einfacher zu organisieren. Lebenswichtig ist es aber, über gesundes Trinkwasser zu verfügen. Allerdings gebe ich Ihnen recht: Die Digitalisierung ist ein erheblicher Standortvorteil.

Kommunen könnten IT-Leistungen bei einem privaten Anbieter abrufen?

Meyer-Falcke Grundsätzlich schon. Wir kennen aber die Aufgaben und Anforderungen, die in den Verwaltungen abgearbeitet werden müssen. Von der Hundesteuer bis zur Bundestagswahl. Dieses umfassende Know How und diese enge Verzahnung mit den Verwaltungen ist das Alleinstellungsmerkmal kommunaler IT-Dienstleister. Und besonders für die ITK gilt: Wir haben große Erfahrung mit den unterschiedlichen Anforderungen großer und kleiner Kommunen. Diese Fachkenntnis bleibt aber nur ein Vorteil, wenn wir uns dem Wettbewerb stellen. Erfolgreich werden wir letztlich nur sein, wenn wir ein Vordenker sind. Dort sehe ich die größte Herausforderung für die Zukunft.

Das hört sich an, als würden Sie an einer strategischen Neuausrichtung der ITK Rheinland arbeiten?

Meyer-Falcke Wenn Sie es so bezeichnen wollen ... richtig ist, dass wir nicht nur Dienstleister sein können, sondern auch Thinktank, also eine Art Denkfabrik sein müssen. Digitalisierung lässt sich nicht in Säulen organisieren, sondern sie erfasst alle Lebensbereiche und somit auch alle Bereiche der kommunalen Verwaltung. Wir müssen sie also horizontal und nicht vertikal denken.

Wollen Sie Personal einsparen?

Meyer-Falcke Das ist nicht unser Ziel. Unter dem Strich werden alle Rathaus-Mitarbeiter einen Arbeitsplatz behalten, nur nicht unbedingt ihren jetzigen. Denn die Digitalisierung von Verwaltungsabläufen ermöglicht es uns, Aufgaben mit weniger Menschen wahrzunehmen. Das sind die Mitarbeiter, die wir in einer wachsenden Region wie dem Rheinland dringend an anderer Stelle in unseren Verwaltungen benötigen. Auch das ist ein Weg, um dem zunehmenden Fachkräftebedarf zu begegnen. Und noch etwas: Verwaltung hat auch in Zeiten der Digitalisierung immer noch eine menschliche Komponente. Die bürgernahe Verwaltung, die von den Menschen akzeptiert wird, kann nicht ohne persönlichen Kontakt organisiert werden. Das ist uns bewusst, und das berücksichtigen wir auch bei unserem Vordenken.

LUDGER BATEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort