Neuss Wie man Angst überzeugend spielt

Neuss · Mit vielen Anekdoten unterhielten "Momo"-Darstellerin Radost Bokel und Schauspielerkollege Marc Birkholz die Zuhörer in der Neusser Stadtbibliothek. Die Gästezahl war angesichts des heißen Wetters jedoch nicht sehr groß.

Von Büsum bis zum Bodensee waren sie bereits auf Tour. Jetzt machten sie mit ihrer Lesung "Momo liest Momo" Station in Neuss: Radost Bokel, die vor 30 Jahren als Zehnjährige die "Momo" in der Verfilmung von Michael Endes Klassiker gespielt hatte, und Jean-Marc Birkholz, Schauspieler, Sprecher und seit ein paar Jahren "Winnetou"-Darsteller bei den Elspe-Festivals. Zwar hatten an diesem heißen Sommertag nur knapp 20 Zuhörer den Weg in die Stadtbibliothek gefunden, aber das tat der Performance des Duos keinen Abbruch.

Die beiden Schauspieler ließen sich von dem kleinen Besucherkreis nicht beirren, zeigten sogar Verständnis - "ich wäre jetzt auch lieber im Freibad", so Radost Bokel - und nahmen ihre Zuhörer mit auf eine Reise in Endes literarisches Werk für große Kinder und Erwachsene. Dazu lüfteten sie so manches Geheimnis rund um die Dreharbeiten zu dem Film, der 1985 in der italienischen Filmstadt Cinecittà gedreht wurde.

"Die Kulissen waren alle aus Styropor", verriet Bokel. Häufig habe sie in den Drehpausen daran herumgeprökelt. "Aber immer nur an den Rückseiten", versicherte die mittlerweile 40-Jährige mit schelmischem Lächeln.

Direkt nebenan waren weitere Filmkulissen aufgebaut. Dort wurde das Filmdrama "Der Name der Rose" nach dem gleichnamigen Roman von Umberto Eco mit Sean Connery und Christian Slater in den Hauptrollen gedreht.

Prominente Schauspieler wie Rosemarie Fendel und Mario Adorf standen auch Radost Bokel seinerzeit vor der Kamera zur Seite. "Mir war das damals aber ziemlich schnuppe." Besonders gern erinnert sie sich jedoch an Armin Müller-Stahl, der den Chef der grauen Herren spielte. Und auch unter den Fittichen von Rosemarie Fendel habe sie sich wohl gefühlt. Denn die renommierte Schauspielerin habe sich besonders um sie gekümmert und mit so manchen Schauspiel-Tipps versorgt.

Da Filme nicht in der späteren Chronologie gedreht würden, so erklärte Bokel ihren Neusser Zuhörern, habe sie gleich an ihrem allerersten Drehtag eine der schwierigsten Szenen - die bekannte "Angst-Partie" - spielen müssen. "Am Tag zuvor war ich mit Rosemarie Fendel am Strand", berichtete die einstige "Momo". Im Sand lagen mehrere Fische. Fendel und Bokel - beide große Tierliebhaber - sorgten sich um die Fische, sammelten sie ein und warfen sie zurück ins Meer. "Dann kam aber ein Fischer schimpfend und wutschnaubend hinter uns her und wir liefen voller Angst schnell weg", verriet Bokel. Abends habe ihr Fendel erklärt, dass sie dieses Angst-Gefühl in eine Schublade in ihrem Kopf stecken und am nächsten Tag wieder hervorholen solle. Was auch geklappt habe, so Bokel. Wenn sie von den Dreh-Erlebnissen vor 30 Jahren erzählt, komme es ihr vor, als sei es erst gestern gewesen, sagte sie. "Aber das liegt wohl daran, dass ich in meinem Herzen immer ein kleines Mädchen geblieben bin."

In ihre großen Kulleraugen habe er sich schon als Jugendlicher verliebt, als er erstmals den Momo-Film sah, verriet Jean-Marc Birkholz, der mit seinen zahlreichen Stimm-Imitationen und seiner souveränen Moderation in Neuss imponierte. Als er 2012 den Winnetou in Elspe gab, und Bokel dessen Schwester Nscho-tschi spielte, ging für ihn ein Traum in Erfüllung. "Denn ich traf meine Momo wieder."

Das erste Treffen war jedoch ernüchternd. ",Wo sind denn deine Locken?', wollte ich wissen", erzählte Birkholz und musste dann von Bokel erfahren: "Meine Haare waren schon immer glatt. Im Film trug ich eine Perücke."

(BB)
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