Neuss Wie "Hitlerjunge Salomon" überlebt hat

Neuss · Salomon Perel hat das Gymnasium Norf besucht. Rund 300 Schüler lauschten dem bewegenden Lebensbericht des Mannes, der seine Erinnerungen im Buch "Ich war Hitlerjunge Salomon" festgehalten hat, gebannt.

 Salomon "Sally" Perel hat den Holocaust überlebt und kommt heute regelmäßig zu Vortragsreisen nach Deutschland, um vor allem Schülern seine Lebensgeschichte zu erzählen und vor Hass, Rassismus und Intoleranz zu warnen.

Salomon "Sally" Perel hat den Holocaust überlebt und kommt heute regelmäßig zu Vortragsreisen nach Deutschland, um vor allem Schülern seine Lebensgeschichte zu erzählen und vor Hass, Rassismus und Intoleranz zu warnen.

Foto: Woi

Mucksmäuschenstill war es gestern unter den Zuhörern im Pädagogischen Zentrum des Gymnasiums Norf, als der Holocaust-Überlebende Sally Perel seine Geschichte erzählte. Rund 300 Schüler aus den Stufen 9 und 11 hörten dem äußerst bewegenden und schonungslos offenen Lebensbericht des 91-jährigen deutschen Juden aufmerksam zu. Salomon ("Sally") Perel ist es gelungen, den Judenmord als Hitlerjunge zu überleben. Seine Erinnerungen hat er in dem Buch "Hitlerjunge Salomon" festgehalten, das auch verfilmt wurde.

"Du sollst leben!" - diese Abschiedsworte seiner Mutter an den damals 14-Jährigen wurden zur Quelle der Energie für den 1925 in Peine geborenen jüdischen Jungen. Als Josef - kameradschaftlich "Jupp" gerufen - konnte er zwar dem Tod entgehen, doch die Zerrissenheit seiner Seele macht ihm sichtlich noch heute zu schaffen: "Ich habe mich nicht nur verkleidet, ich wurde ein Hitlerjunge", bekennt er. Den Nationalsozialisten sei es damals gelungen, die Gehirne der Jugend zu vergiften. An die Jugendlichen von heute richtet er als einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen einen eindringlichen Appell: "Jeder sollte alles tun, damit sich so etwas nicht wiederholt."

In Peine habe er zunächst eine glückliche Kindheit verbracht, erinnert sich Perel. Bis zu jenem Tag, als er mit einem Brief nach Hause geschickt wurde, dass er als Jude die Schule zu verlassen habe. Nachdem auch noch das Geschäft der Eltern von Nationalsozialisten verwüstet worden war, zog die Familie 1938 nach Lodz (Polen) um. Doch nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Teilung Polens floh Sally Perel 1939 als 14-Jähriger mit seinem älteren Bruder in den nun sowjetischen Teil Polens. Seine Eltern, die er nie wiedersah, verblieben im Ghetto.

Aber auch in Russland holte ihn der Krieg ein, die deutsche Armee rückte vor und nahm die Bevölkerung gefangen, "alle Juden wurden auf der Stelle erschossen". Als man ihm die Frage stellte, ob er Jude sei, gab er sich als "Volksdeutscher" aus und kam damit durch - blieb jedoch immer in Todesangst, dass seine Beschneidung entdeckt würde. So verbrachte er einige Zeit als Soldat der deutschen Armee in Russland, später wurde er in eine Schule der Hitlerjugend in Deutschland geschickt.

Wann er sich entschlossen habe, seine Erlebnisse öffentlich zu machen, wollte eine Schülerin wissen. Erst 40 Jahre später, nach einer Herz-Operation, habe er sein Buch geschrieben, antwortete Perel. Im Krankenhaus sei ihm der Gedanke gekommen, dass er seine Geschichte nicht mit ins Grab nehmen dürfe. Andere Schüler erkundigten sich, ob er eine Familie gegründet habe, und was aus seinem Bruder geworden sei. Sally Perel lebt heute in Israel, wo er Kinder und Enkelkinder hat. Auch mit seinem Bruder, einem Überlebenden des Konzentrationslagers in Dachau, habe er noch viele Jahre gemeinsam in Israel verbracht. Sally Perel kommt regelmäßig zu Vortragsreisen nach Deutschland und besucht vor allem Schulen. Den Jugendlichen in Norf gegenüber betonte er, dass die deutsche Jugend keinerlei Schuld am Holocaust treffe, "denn Schuld ist nicht erblich".

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort