FSJ im Landestheater Was ein 19-Jähriger am RLT erlebt

Neuss · Der 19-jährige Moritz Peters ist seit September für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) am Rheinischen Landestheater. Dabei reiste er auch zu verschiedenen Gastspielen in anderen Städten mit, über die er in einem Blog Tagebuch führt.

Freiwilliges Soziales Jahr am Rheinischen Landestheater
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Wo immer er ist, umgibt Moritz Peters das Theater. In der WG, in der er wohnt, lebt auch eine Schauspielerin, tagsüber ist er am RLT, und am Wochenende war er schon mehrfach mit den Darstellern des Neusser Ensembles auf Tour. Dabei erlebte der 19-Jährige nicht nur persönliche Höhen und Tiefen, sondern auch hautnah den emotional aufgeladenen Arbeitsalltag der Theaterschauspieler.

Seine Erlebnisse hält er in einem Online-Tagebuch fest, und eines weiß er mittlerweile sehr gut: Wenn ein Schauspieler sich nach seinem Auftritt gleich in die Garderobe zurückzieht, muss er keine Diva sein.

"Ich gucke gerne Theater von vorne", sagt Peters, und meint damit die einzige Perspektive, die ein normaler Besucher einnehmen darf. Immer schon habe sich der FSJ-ler aber gefragt, was passiert, wenn die Darsteller aus dem Blickfeld des Publikums treten, im Dunkel der Seitenbühne verschwinden. Seit September vergangenen Jahres lernt Peters nun genau diese Welt kennen - und sieht auch, was passiert, bevor die Schauspieler ins Rampenlicht treten.

"Sie sind die ganze Zeit schon da, schleichen um den Vorhang herum, beschäftigen sich mit den Texten und machen sich warm", sagt Peters. Dass diese Anspannung abfällt, sobald die Vorstellung beendet ist, sei ein Trugschluss: "Ich habe mal mit meiner WG-Mitbewohnerin darüber gesprochen, die auch freie Schauspielerin ist", erzählt Peters. "Sie sagt, dass Schauspieler sich ständig mit den Abgründen der menschlichen Emotionen beschäftigen. So etwas nimmt einen auch mit."

Von Abgründen hatte der 19-Jährige in seinem schleswig-holsteinischen Heimatdorf bis dahin wenig mitbekommen. In einer Kleinstadt ging Peters zur Schule, erst vergangenes Jahr zog er für sein FSJ nach Neuss: "Das ist schon eine krasser Vergleich, das spießige Dorf da und die Künstlerwelt hier."

Der Blick über den Tellerrand, den der einjährige Besuch am Theater bedeutet, sei genau das richtige gewesen - obwohl er seine Eltern erst überzeugen musste: "Sie meinten, das wäre eine brotlose Kunst." Nur ein Viertel aller Schauspielschul-Absolventen bekämen einen Job. Doch das schreckte Peters nicht. Denn normal, das sei nichts für ihn.

So überzeugt er von seiner Entscheidung für das Theater war, so schnell sollte sein Selbstbewusstsein auf die Probe gestellt werden: Die erste Fahrt zum Gastspiel in Siegen sei ein toller Einstand für Peters gewesen: "Die waren alle so nett, haben mich herumgeführt und in der Pause die Garderobe gezeigt." Bei der zweiten Fahrt überkam Peters im Bus jedoch plötzlich das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören.

"Ich dachte mir, die Schauspieler stehen sowieso schon unter Stress, und dann sind wir auch noch erst spät abends angekommen." Heute weiß er, dass es nichts zu sagen hat, wenn ein Darsteller vor den Endproben ungewohnt schnippisch oder gereizt ist. Und ein Schauspieler, der nicht ein bisschen seltsam wäre, würde Peters zufolge auch eine Ausnahme darstellen: "Theaterleute sind spezielle, extrovertierte Menschen. Wer das nicht ist, kann kein Schauspieler werden."

Seine Erlebnisse, Begegnungen und Beobachtungen, die Peters bei Gastspielfahrten mit dem Neusser Ensemble nach Erlangen, Siegen, Ratingen, Velbert und Bocholt unternahm, hielt er in seinem Blog unter www.tapferunterwegs.com fest, das für ihn nicht nur eine Art Internet-Tagebuch ist, sonder auch eine Referenz, die sich im Lebenslauf wohl gut neben seiner Schul-Theater-AG macht. "Ich mache auf jeder Fahrt bis zu 300 Fotos. Abends sortiere ich sie dann und schreibe die Einträge", erzählt Peters. Wenn es am RLT viel zu tun gebe, dauere es schon mal länger, bis der nächste Eintrag entsteht, denn die Texte sind keine unbedarften Klassenfahrtberichte, sondern geben stilsicher einen Einblick in die Welt hinter die Holzkulissen, in die schwach beleuchteten Tonkabinen, die zugigen Gänge, in denen behelfsmäßig ein Maskentisch aufgestellt wird. Und sie machen neidisch, nicht dabeigewesen zu sein.

(bur)
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