Neuss Volksparteien verlieren überall im Stadtgebiet

Neuss · SPD-Kandidat Rinkert verpasst Bundestagseinzug über Reserveliste. CDU und FDP in Hoisten top, SPD auf der Furth.

Neuss: Volksparteien verlieren überall im Stadtgebiet
Foto: itk

Die Modellrechnung ist müßig und rein akademisch, Andreas Galland vom Amt für Wirtschaftsförderung hat sie trotzdem angestellt: Wäre das Neusser Wahlergebnis vom Sonntag auch das Ergebnis im Bund, gäbe es mit 50,4 Prozent der Zweitstimmen eine Mehrheit für CDU und FDP. "Ein zweiter Koalitionspartner wäre nicht vonnöten", sagt der Chefstatistiker bei einer ersten Wahlanalyse.

 SPD-Bewerber Rinkert kommt auch über die Landesliste nicht nach Berlin.

SPD-Bewerber Rinkert kommt auch über die Landesliste nicht nach Berlin.

Foto: Kirschstein Frank

Die fällt bei den großen Parteien eindeutig aus. Sowohl CDU als auch SPD verlieren in allen 29 Neusser Wahlbezirken. Unter dem Strich sind es 10,05 Prozent bei der CDU und 4,29 Prozent bei den Sozialdemokraten. Gewinner sind die AfD, die ihr Ergebnis von 2013 (4,2 Prozent) mehr als verdoppeln kann und auf 9,4 Prozent der Zweitstimmen kommt, sowie die FDP. Die kann ein Ergebnis von 15 Prozent feiern und etabliert sich als drittstärkste Kraft deutlich vor AfD und Linken, die mit den Grünen gleichziehen. Die bestätigten im Stadtgebiet ihr Ergebnis der Bundestagswahl 2013 und kommen wieder auf 6,9 Prozent.

CDU und SPD fuhren die schlechtesten Wahlergebnisse seit 1976 ein, erklärt die Statistikerin Charlotte Hohn, die angesichts des vor dieser Zeit üblichen Drei-Parteien-Systems davon ausgeht, dass es auch vor 1979 bei einer Bundestagswahl in der Stadt Neuss nie so wenig Zuspruch für die beiden Volksparteien gab wie jetzt. In Neuss erreichten die CDU 35,4 Prozent (35,9 im Wahlkreis 108) und die SPD 22,2 Prozent (im Wahlkreis: 23,6 Prozent). Deren Direktkandidat Daniel Rinkert musste in der Wahlnacht noch eine Enttäuschung verdauen: Während Hermann Gröhe (CDU) sein Direktmandat verteidigen kann, schafft es der Grevenbroicher Rinkert auch über die Landesliste der SPD nicht in den Bundestag. Diese zieht bis Platz 17, Rinkerts Name taucht erst bei 21 auf. Der junge Jurist sagte gestern, weiter Vorsitzender der SPD im Rhein-Kreis bleiben zu wollen.

Die CDU verliert, aber sie behauptet ihre Mehrheit fast überall. Nur der Bezirk "Neusser Furth" bleibt bei der SPD, die dort jedoch mit 7,2 Prozent auch die zweithöchsten Verluste hinnehmen muss und auf 29,4 Prozent abrutscht.

Den gleichen Bezirk darf auch die AfD Hochburg nennen, denn dort errang sie mit 13,1 Prozent ihr zweitbestes Ergebnis. Am besten schnitt die AfD mit 17,9 Prozent Stimmenanteil in Erfttal ab, das soziologisch mit "Neusser Furth" nicht wirklich vergleichbar ist. Hohn glaubt daher kaum, dass man "AfD-Wähler anhand von Strukturmerkmalen wie etwa Arbeitslosigkeit ausmachen kann." Eine differenzierte Analyse zu den Wählerwanderungen hat sie noch in Arbeit.

Auffällig ist zumindest, dass in Erfttal (57,7) und "Neusser Furth" (55,7 Prozent) die niedrigste Wahlbeteiligung im Stadtgebiet festzustellen ist. Im Durchschnitt lag sie im Stadtgebiet bei 73,4 Prozent.

In beiden Bezirken fuhr die FDP, die in Hoisten und im Stadionviertel auf über 19 Prozent kam, ihre schlechtesten Ergebnisse ein. Die CDU verlor in Erfttal 15 Prozent, kann sich aber noch an Ergebnissen wie dem aus Hoisten aufrichten: Eine Top-Wahlbeteiligung beschert ihr bei Erst- wie auch Zweitstimmen dort die höchsten Werte.

(-nau)
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