Rhein-Kreis Neuss Telefonseelsorge sieht Gefahr durch Online-Foren

Rhein-Kreis Neuss · 2014 registrierte die Einrichtung fast 18 000 Anrufe. Ein immer größeres Problem sind unprofessionelle Netz-Angebote.

Über zu wenig Arbeit können sich die rund 50 Freiwilligen der Neusser Telefonseelsorge nicht beklagen. Insgesamt fast 18 000 Anrufe von Menschen in Not gingen im vergangenen Jahr bei dem Team um Diplom-Psychologin Barbara Keßler ein - Tendenz steigend. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten Jahresbericht 2014 der Telefonseelsorge hervor.

Dabei fällt den Freiwilligen, die an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr unter den kostenfreien Rufnummern 0800 1110 111 und 0800 111 0 222 zu erreichen sind, immer öfter die Aufgabe zu, Fehler anderer auszubügeln. "Unseriöse Online-Foren und Chats im Internet können große Schäden anrichten", sagte Telefonseelsorge-Leiterin Keßler gestern. Vor allem bei Menschen, die suizidgefährdet seien, bewirkten Selbsthilfekreise im Netz häufig eine Verschlimmerung der Situation, so Barbara Keßler.

Das Problem: In vielen Fällen haben solche Onlineforen beziehungsweise Chatrooms keinen ausgebildeten Moderator, der einzugreifen in der Lage ist. Mit der Folge, dass Menschen mit Selbsttötungsgedanken in einer akuten Notsituation mit ihren Problemen alleingelassen und schlimmstenfalls sogar in ihren Absichten bestärkt werden können.

Auch aus diesem Grund sind die Telefonseelsorgen inzwischen bundesweit dazu übergegangen, selbst eine Onlineberatung anzubieten. Über die Seite der für den gesamten Rhein-Kreis zuständigen Telefonseelsorge Neuss (www.telefonseelsorge-neuss.de) gelangen Menschen in Not zu diesen Mail- und Chatangeboten, wo sie binnen Minuten professionelle Hilfe erhalten.

Das Hauptaugenmerk liegt aber auch weiterhin auf der telefonischen Beratung. Immerhin nimmt die Zahl der Menschen mit schwerwiegenden Problemen von Jahr zu Jahr zu. So gaben 2014 über 20 Prozent der Anrufer bei der Telefonseelsorge Neuss an, an einer bereits diagnostizierten psychischen Erkrankung zu leiden. Wobei die Nöte der Menschen durchaus vielschichtig sind: Neben akuten Suizidgedanken spielen oftmals auch familiäre Konflikte, Sorgen im Job, Einsamkeit, Armut und Schulden eine Rolle.

Um möglichst gut auf die Herausforderungen vorbereitet zu sein, durchlaufen die Ehrenamtler der Telefonseelsorge Neuss, die wiederum von katholischer und evangelischer Kirche getragen wird, eine insgesamt 18-monatige Schulung. Erst danach treten die Freiwilligen ihren Dienst an, der auch Nachtschichten umfasst. Für die Leiterin der Neusser Telefonseelsorge macht dieses Prozedere durchaus Sinn. Barbara Keßler: "Dies ist zum Wohle sowohl der Anrufer als auch der Mitarbeiter."

Die Telefonseelsorge ist dabei ständig auf der Suche nach Freiwilligen. Die nächsten Schulungen, für die sich Interessierte noch bewerben können, beginnen im Frühjahr 2016.

(NGZ)
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