Neusser Woche Strukturwandel braucht eine breite Allianz

Neuss · Leitentscheidung - das klingt eigentlich nach Klartext und nach einer Ansage, auf die man erst einmal bauen kann. Im Fall der Leitentscheidung der Landesregierung zur Braunkohle ist das etwas anders: Bereits länger angekündigt und nun offiziell verkündet, schafft der Beschluss von Rot-Grün, den Tagebau räumlich zu verkleinern, letztlich aber (zumindest theoretisch) auch über 2030 hinaus zu ermöglichen, vor allem neue Diskussionen. Die CDU sieht - weil nicht mehr von Garantieren bis mindestens 2045 die Rede ist - neue Unsicherheit für die Tagebau- und Kraftwerksbetreiber.

Ein Tag im Tagebau Garzweiler
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Foto: Christian Kandzorra

Tausende Jobs seien deshalb in Gefahr. Die SPD spricht hingegen von einem Erfolg für das Revier: Braunkohle werde, so die Konsequenz der Leitentscheidung, auch nach 2030 noch zur Sicherung der Energieversorgung benötigt. Anders Bündnis 90/Die Grünen: Für sie ist die Verkleinerung des Tagebaus eine logische Konsequenz der wirtschaftlichen und klimapolitischen Rahmenbedingungen. Aus grüner Sicht steht die Frage, ob die Braunkohle-Verstromung ausläuft, gar nicht mehr zur Diskussion.

Der Ausstieg aus der Braunkohle habe längst begonnen. Die Abgrabung, so eine Forderung der Grünen im Rhein-Kreis, müsse so schnell wie möglich beendet werden. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, als seien die Differenzen zwischen den politischen Lagern in der Braunkohle-Frage unüberbrückbar, was mit Blick auf den Landtagswahlkampf 2017 natürlich kein Zufall ist, wissen doch eigentlich alle, wohin die Reise gehen muss: Die CDU fordert vom Land tragfähige Konzepte für Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region.

Die SPD verweist auf Landesmittel zur Förderung des Strukturwandels. Und die Grünen machen sich für ein Pilotprojekt mit Landesunterstützung stark, das am Kraftwerksstandort Frimmersdorf zukunftsfähiges und nachhaltiges Gewerbe schaffen soll. Das sollte mit ein wenig Bereitschaft zum Kompromiss doch gemeinsam zu machen sein, oder? Klar, nicht vor der Landtagswahl, aber danach bitte mit Vollgas. Ein tragfähiger Strukturwandel braucht Zeit - und gerade deshalb muss daran ab sofort noch intensiver gearbeitet werden.

Da hilft der Blick auf Jahreszahlen nur beschränkt. RWE hat neue Einsparungen angekündigt und steht unter hohem Wettbewerbsdruck. In Brüssel wird wieder über Atomkraftwerke nachgedacht, in Schweden, einst Vorreiter beim Atomausstieg, ebenso. Da könnte die Braunkohle plötzlich noch mehr Konkurrenz bekommen, nicht aus der Öko-Ecke, sondern aus der - offenbar nur vermeintlich - energiepolitischen Mottenkiste. Wer sich vor Augen führt, wie schnell die Braunkohle in den vergangenen Jahren zum Buhmann unter den Energieträgern geworden ist, der kann den Strukturwandel nur forcieren.

Angesichts dieser Mammutaufgabe, die bitte besser gelöst werden sollte als im Ruhrgebiet, ist das Land allein überfordert: Bund, Land, Kommunen und nicht zuletzt die Energiewirtschaft, die im Rhein-Kreis über Jahrzehnte gut verdient hat, müssen gemeinsam anpacken. Wer im Rhein-Kreis Zukunftsfähigkeit beweisen will, wird sich auch daran messen lassen müssen, ob er es schafft, in diesem Sinne alle Kräfte zu bündeln.

(NGZ)
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