Rhein-Kreis Neuss Starker Petrauschke lässt das bunte Bündnis abblitzen

Meinung | Neuss · Hans-Jürgen Petrauschke hat's geschafft. Er bleibt für eine weitere Wahlperiode Landrat. Und das ist vor allem sein ganz persönlicher Erfolg. Der Grevenbroicher hat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit geholt, weil die große Mehrheit der Wähler seine Leistung in den vergangenen sechs Jahren anerkennt. Die Opposition im Kreistag mag den Kurs der Wirtschaftsförderung in der Kreisverwaltung kritisieren oder sich an der mitunter zynisch-ironischen, von politischen Gegnern manchmal auch als arrogant empfundenen Art des Juristen und Verwaltungsexperten reiben.

Hans-Jürgen Petrauschke bleibt Landrat im Rhein-Kreis Neuss
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Rhein-Kreis Neuss: Hans-Jürgen Petrauschke feiert seinen Sieg

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Bei den Wählern kommt das offenbar anders an. Sie verbinden wirtschaftlichen Erfolg und vergleichsweise hohe soziale Sicherheit im Rhein-Kreis auch mit der Person des Chefs im Kreishaus. Sein Herausforderer Hans Christian Markert konnte dem inhaltlich zu wenig entgegensetzen. Daran allein ist er jedoch nicht gescheitert. Das größere Problem beim Versuch des Landtagsabgeordneten der Grünen, das Kreishaus zu erobern, waren seine Unterstützer.

Das Bündnis aus SPD, Grünen, Linken, Piraten und Aktive warb für sich als "bunte" Alternative zu Schwarz-Gelb. Der Mehrheit der Wähler wurde das wohl zu bunt. Die Grünen zum Beispiel leben an Rhein und Erft von einer bürgerlichen Klientel - die aber mit Piraten und Linken nicht viel anfangen kann. Nicht zu vergessen: Das Markert-Bündnis hat zwar bei der Kommunalwahl 2014 an der bürgerlichen Mehrheit im Kreistag gekratzt, allerdings nicht auf der Basis eines Wählervotums für dieses bunte Bündnis.

Reiner Breuer ist Bürgermeister von Neuss
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Neuss: So feiert Reiner Breuer seinen Sensationssieg

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Das nämlich formierte sich im Kreistag erst nach der Wahl, weil es - auch mit Blick auf die Landratswahl - die Chance zum Wechsel witterte. Hinzu kommt: Obwohl Markert im Wahlkampf nicht müde wurde, sein industriepolitisches Engagement zu betonten, gelang es ihm offensichtlich nicht, eine Grundskepsis bei Kraftwerkern, Bergleuten und anderen Industriebeschäftigten zu zerstreuen. Diese Klientel traut einem Kandidaten der Grünen offenbar noch immer zu, ihre Jobs eher zu gefährden als zu sichern.

Auch mancher Sozialdemokrat fremdelte mit der von der SPD-Spitze gemeinsam mit den Grünen ausgeknobelte Kandidatur Markerts. So recht glauben wollten die Genossen an den bunten Kandidaten offenbar nicht. Ein sichtbares Zeichen war die - verglichen zum Beispiel mit SPD-Bürgermeisterkandidat Reiner Breuer in Neuss - finanzielle eher knappe Unterstützung des Markert-Wahlkampfes. Auch wenn die SPD nach außen geschlossen hinter Markert stand, ist es kein Geheimnis, dass die Kandidatur speziell im Süden des Kreises ungeliebt war.

NGZ-Sofa mit den Landratskandidaten
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NGZ-Sofa mit den Landratskandidaten

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Vor allem von den jungen SPD-Bürgermeistern Erik Lierenfeld aus Dormagen und Martin Mertens aus Rommerskirchen musste sich SPD-Kreisvorsitzender Klaus Krützen auf der Zielgeraden der Kandidatenkür Kritik anhören. Sie hätten lieber auf einen "eigenen" Kandidaten gesetzt. Sollte Krützen nach der Niederlage Markerts, der trotz des bunten Bündnisses nicht viel besser abgeschnitten hat als SPD-Kandidat Rainer Thiel vor sechs Jahren, in Grevenbroich bei der Bürgermeister-Stichwahl gegen Ursula Kwasny (CDU) auch selbst scheitern, hat er ein Problem.

Die SPD wird die Kandidatenkür aufarbeiten - und dabei könnte Krützen unter Druck geraten. Daran würde wahrscheinlich auch ein nach der Wahl gestern möglicher Wechsel Krützens nach Berlin - als Nachrücker für den in Oerlinghausen zum Bürgermeister gewählten SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Becker - nicht viel ändern. Ebenso wenig übrigens wie der Sensationserfolg von Reiner Breuer in Neuss. Der Sieg der Neusser SPD ist hausgemacht - da spielte der Kreis keine Rolle. Das Machtzentrum in der SPD verschiebt sich in Richtung Rhein.

(NGZ)
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