Neuss Stadtführer macht das Mittelalter lebendig

Neuss · In der Rolle des Stadtschreibers Christianus Wierstraet ist der gebürtige Emsländer Helmut Wessels in Neuss bekannt - und beliebt.

 Helmut Wessels kam 1982 an den Rhein und entdeckte seine Liebe zu Neuss - auch wegen der spannenden Geschichte der Stadt.

Helmut Wessels kam 1982 an den Rhein und entdeckte seine Liebe zu Neuss - auch wegen der spannenden Geschichte der Stadt.

Foto: Georg Salzburg

Freudestrahlend öffnet Helmut Wessels einen großen Karton, den ein Bote gerade in seinen Laden an der Krämerstraße gebracht hat. "Endlich sind meine Weihnachtstassen da", sagt der Stadtführer und Künstler und hält ein Exemplar hoch - bedruckt mit einem von ihm gemalten Bild des Quirinus-Münsters mit Weihnachtsmarkt. Für den gebürtigen Emsländer, der 1982 an den Rhein kam, ist Neuss längst zur zweiten Heimat geworden. Seine Liebe zu dieser geschichtsträchtigen Stadt - immerhin eine der ältesten in Deutschland - möchte er bei Führungen weitergeben. Dazu schlüpft er in die Rolle des Stadtschreibers Christianus Wierstraet.

Im mittelalterlichen Gewand, mit Schnabelschuhen, Strumpfhosen und einer Laterne in der Hand, ist Wessels vielen Neussern inzwischen ein vertrauter Anblick. "Auf die Strumpfhosen hätte ich gut verzichten können, aber die trug man nun mal zu der Zeit", sagt der 53-Jährige und öffnet die Tür zum Münster. Drinnen führt sein erster Weg zu einer Platte, die in eine Wand am südlichen Seitenschiff eingelassen wurde. "Dieser Stein ist etwas ganz Besonderes", sagt Wessels. "Das Quirinus-Münster ist die einzige Kirche in Nordeuropa mit einem Grundstein, auf dem der Baumeister genannt wird", erklärt er. "Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1209... hat der Meister Wolbero den ersten Fundamentstein dieses Tempels gesetzt am Tag des heiligen Dionysius des Märtyrers", ist dort in der Übersetzung aus dem Lateinischen zu lesen. Aus Anlass der Grundsteinlegung am 9. Oktober - dem Gedenktag des heiligen Dionysius - wird heute und morgen auf dem Münsterplatz ein mittelalterlicher Markt veranstaltet.

Wenn Helmut Wessels über Neuss, das Münster und den heiligen Quirinus auf der Kuppel spricht, vermittelt er mit jedem Satz Begeisterung. Dabei war seine erste Begegnung mit dieser Stadt eher negativ: Als er zum ersten Mal über die Düsseldorfer Straße hereinkam, die Industriegebäude sah und den typischen Geruch des Hafens in die Nase bekam, habe Neuss keinen guten Eindruck auf ihn gemacht. Doch dann sei er eingetaucht in die "äußerst spannende Stadtgeschichte voller Superlative" und habe den "Charme der Stadt" gespürt, die "wie ein großes Dorf" sei. Da habe er sich gesagt: "Hier kannst du bleiben." Seit 2001 führt er Gruppen durch die Stadt und in die Münsterkirche, lässt das Mittelalter für eine kurze Zeit aufleben. Auch gebürtige Neusser seien häufig überrascht, was Wessels alles zu erzählen habe. Großen Nachholbedarf hat der Stadtführer vor allem bei den Jüngsten bemerkt: "Neusser Schüler wissen leider oft kaum etwas über die Stadtgeschichte."

Der heilige Quirinus hat auch Eingang in die Kunst von Helmut Wessels gefunden: Als die Münsterkuppel 2005 neu gedeckt wurde, kaufte er einen Teil des Kupfers der alten Kuppel und arbeitet das Metall seither immer wieder in seine Kunstwerke ein. So graviert er beispielsweise die Silhouette des Münsters in Kupferstücke ein. In seinem Laden an der Krämerstraße bietet er diese Arbeiten neben Schützenbildern und Neusser Souvenirs wie seinen selbst gestalteten Weihnachtstassen an. Damit erweiterte er sein ursprünglich hauptsächlich Devotionalien umfassendes Sortiment von Rosenkränzen bis zu Kerzen. Den Namen des Geschäfts, "Confessio" (Bekenntnis), will Wessels aber wegen der Doppeldeutigkeit beibehalten: "Er bedeutet für mich Bekenntnis zu meinem christlichen Glauben und Bekenntnis zu meiner Neusser Heimat."

(NGZ)
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