Neuss Stadt verzichtet auf Bauvereins-Rendite

Neuss · Im Jubiläumsjahr 2016 erwirtschaftete das städtische Tochterunternehmen einen Rekordüberschuss. Das Geld bleibt aber im Unternehmen, das vor großen Aufgaben steht. Über 1000 neue Wohnungen sind im Bau oder in der Planung.

 Dirk Reimann (l.) und Frank Lubig vom Bauvereinsvorstand stellten mit Bürgermeister Reiner Breuer (M.) den Geschäftsbericht des Unternehmens vor.

Dirk Reimann (l.) und Frank Lubig vom Bauvereinsvorstand stellten mit Bürgermeister Reiner Breuer (M.) den Geschäftsbericht des Unternehmens vor.

Foto: woi

An der Hülchrather Straße zogen gestern die ersten Mieter in Neubauwohnungen des Neusser Bauvereins ein. 60 sind es, die gerade fertig geworden sind, allesamt öffentlich gefördert und mit 5,75 Euro Kaltmiete je Quadratmeter bezahlbar. Und viele, viele weitere sollen im Stadtgebiet, wo 2015 keine einzige Sozialwohnung bezugsfertig geworden war, folgen. Zum Stichtag 31. Januar 2016 hatte das städtische Tochterunternehmen 1144 Neubauwohnungen in der Planung.

"Wir geben jetzt Vollgas", erklärte gestern Bauvereins-Vorstand Frank Lubig mit Blick auf einen, so wörtlich, "Rieseninvestitionsschub vor der Brust". Eine halbe Milliarde Euro will der größte Vermieter der Stadt in den kommenden Jahren in Neubau, Instandhalt und Modernisierung seines Bestandes stecken. Davon knapp 80 Millionen in diesem und etwa 100 Millionen Euro im kommenden Jahr. Das muss man sich leisten können.

Der Bauverein kann das. Im Jubiläumsjahr 2016 erwirtschaftete er ein Rekordergebnis mit fast 2,1 Millionen Euro Überschuss, mit dem er seine Rücklagen auffüllen kann. Mehr als die Hälfte hätte die Renditezahlung an die Aktionäre ausgemacht, doch nach der Stadt als Hauptaktionär, der sonst 1,1 Millionen Euro überwiesen werden, verzichteten am Donnerstagabend auch die Kleinaktionäre, die nur wenige Anteile halten, auf eine Auszahlung. "Das Geld bleibt im Unternehmen", betont Bürgermeister Reiner Breuer als Aufsichtsratsvorsitzender. Das gab es in der Firmengeschichte noch nie.

Für den Verzicht auf die Ausschüttung gibt es zwei Gründe. Zunächst und vor allem die unverhofft eingegangene Gewerbesteuerzahlung in Höhe von 152 Millionen Euro, die der Stadt im Frühjahr in den Schoß gefallen war. Sie versetzt die Stadt in die Lage, auf eine Ausschüttung der Stadtwerke (vorerst) und des Bauvereins (endgültig) für das vergangene Jahr zu verzichten. Der Bauverein sei der strategische Partner der Stadt, die das Ziel verfolgt, mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen, benennt Breuer einen weiteren Grund für den Verzicht. "Wir sehen die Notwendigkeit, den Bauverein zu stützen und zu unterstützen" - und durch Belassung der Rendite seine Investitionskraft und Kreditwürdigkeit zu stärken. Dass beide Seiten dabei Kapitalertrags- beziehungsweise Körperschaftssteuer sparen, macht dieses Modell sicher nicht unattraktiver.

2016 wurden das Gelände des Alexianerklosters und der Sauerkrautfabrik Leuchtenberg mit insgesamt 14 Hektar Fläche erworben. Dort wird der Bauverein in den kommenden Jahren vor allem investieren. Bis 2022 entstehen auf dem Alexianerareal rund 500 neue Wohnungen und Häuser, darunter 320 Mietwohnungen. Für fünf Häuser ist im Frühjahr Baubeginn. "Ein Initialprojekt", sagt Lubig. Auf dem Areal der Sauerkrautfabrik werden 160 Wohnungen entstehen, die zum überwiegenden Teil öffentlich gefördert sein werden. 160 Wohnungen entstehen an der Nievenheimer Straße in Norf - plus Altenheim. Der Pachtvertrag der Diakonie als Betreiber des Heims wurde gerade erst unterzeichnet. Um nur die großen Vorhaben zu nennen. Investiert wird aber auch in die soziale Betreuung. Das zeige Wirkung, sagt Lubig. Die durchschnittliche Wohndauer steigt auf zehn Jahre, die Fluktuation sinkt auf sieben Prozent.

(-nau)
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