Neuss Stadt "entfesselt" Arbeitszeit im Rathaus

Neuss · Das Wort "Gleitzeit" können Mitarbeiter im Rathaus aus ihrem Wortschatz streichen. Sie legen ihre Arbeitszeit künftig selber fest. Mit der individuellen Regelung will die Stadt eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erreichen.

 Von 6.30 bis 18.30 Uhr gilt bei der Zeiterfassung als Rahmenzeit. Eine Kernarbeitszeit gibt es im Rathaus nicht mehr.

Von 6.30 bis 18.30 Uhr gilt bei der Zeiterfassung als Rahmenzeit. Eine Kernarbeitszeit gibt es im Rathaus nicht mehr.

Foto: Stadt Neuss

Im Rathaus ticken die Uhren jetzt etwas anders. Wann ein Mitarbeiter zur Arbeit kommt und wann er diese beendet, ist jedem ab sofort genauso freigestellt wie die Länge der Pausen und ihre Platzierung im Arbeitstag. Diese Freiheit schafft ein neues Modell zur Arbeitszeit, das die bisherige gleitende Arbeitszeit ablöst. Aus "Glaz" wird "Flaz" - und die flexible Arbeitszeit verzichtet grundsätzlich auf eine Präsenzpflicht der Mitarbeiter oder den Begriff einer Kernarbeitszeit.

"Flaz" sei vor allem von der - jetzt nach Köln wechselnden - Personaldezernentin Dolores Burkert vorangetrieben worden, sagt Reiner Dankelmann von der Dienstleistungsgewerkschaft Komba mit anerkennendem Unterton. Denn mit der "Flexiblen Arbeitszeit" (Flaz) gehe die Stadt "moderne Wege" - und wirbt auch damit.

Hinter der Entscheidung zur Einführung der Regelung steht das Bemühen der Stadt, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Schon die Einrichtung einer rathausinternen Kindertagesbetreuung vor einigen Jahren verfolgte dieses Ziel, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für immer mehr und vor allem junge Erwerbstätige ein Argument bei der Wahl des Arbeitgebers. Auch mit dem Anliegen, Arbeit im "Home-Office" von zuhause aus zu erledigen, gehe die Verwaltung offensiv um, ergänzt Dankelmann. "Das geht nicht überall. Aber es wird versucht, vieles möglich zu machen."

Das "Flaz"-Modell wurde zunächst in einer Mitarbeiterversammlung vorgestellt, die Bürgermeister Reiner Breuer als besonders gut besucht bezeichnen würde. Doch der Dienstherr musste dort auch deutlich auf die Grenzen des Modells hinweisen. "In erster Linie geht es um die Leistungserbringung", sagt Breuer - und legte das auch so in einer Dienstanordnung schriftlich nieder. "Die Regelungen zur flexiblen Arbeitszeit dienen einem besseren Leistungsangebot und Service der Verwaltung und stehen unter der Verpflichtung, den ordnungsgemäßen Betrieb sicherzustellen." Das geht jeden der derzeit rund 1200 Mitarbeiter der Stadtverwaltung an und heißt zum Beispiel nichts anderes, als: Wenn Publikumsverkehr ist, hat ausreichend Personal da zu sein. Das gilt auch am "Dienstleistungsdonnerstag" mit Öffnungszeiten bis 18 Uhr.

"Das funktioniert erstaunlich gut", sagt Andreas Galland, der als Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung in seinem Bereich darauf achten muss, dass die Dienstanweisung eingehalten wird. "Die neuen Freiheiten werden nicht ausgenutzt", stellt er nach einigen Wochen Probebetrieb fest.

Im Rathaus dürfen Mitarbeiter jetzt ab 6.30 Uhr ihr Tagewerk beginnen. Bis 18.30 Uhr sollten sie es erledigt haben. Dazwischen sind sie flexibel. Man wolle eine optimale Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie Arbeits- und Freizeit erreichen, schrieb Breuer an die Mitarbeiter. Die bleiben in der Verantwortung, dass der Laden läuft, aber sie müssen sich zum Beispiel nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie sie ihr Kind pünktlich vor Dienstbeginn in den Kindergarten bringen, ergänzt Dankelmann. "Wer diesen privaten Stress nicht hat, arbeitet auch effektiver."

(-nau)
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