Neuss Schwarz oder Weiß - das ist die Frage

Neuss · Mit Schauspielschülern der Alten Post hat Sven Post das Stück "Die zwölf Geschworenen" auf die Bühne gebracht: ein facettenreiches Spiel um Schuld und Verantwortung, Zweifel und Entscheidung.

 Schwarz und weiß haben Jürgen Zaun die Bühne und Sergio Abajur die Kostüme gestaltet.

Schwarz und weiß haben Jürgen Zaun die Bühne und Sergio Abajur die Kostüme gestaltet.

Foto: Hanne Brandt

Alle Indizien sprechen gegen den Angeklagten. Da wird es nicht schwer sein für die Geschworenen, ein einstimmiges Urteil zu treffen, das den jungen Angeklagten auf den elektrischen Stuhl bringt. Seit Sidney Lumet mit der Verfilmung von Reginald Roses Drehbuch "Die zwölf Geschworenen" in den fünfziger Jahren seine Weltkarriere begründete, gilt der packende Plot als beispielhafte kleine Studie für gruppendynamische Prozesse. Eine schöne kleine Inszenierung des Stücks hat Sven Post jetzt mit Schauspielschülern der Alten Post auf die Bühne gebracht. Leben oder Tod ist die Frage, über die sich die zwölf Akteure zunächst (fast) einig zu sein scheinen. Schließlich wurde der Täter gesehen, sein Alibi ist fragwürdig, die Zeugenaussagen dagegen plausibel. Und weil der Tag schwül-heiß ist, zudem ein spannendes Baseballspiel ansteht, erscheint die Abstimmung nur als lästige kleine Formalität.

An einem langen Tisch vis-à-vis zum Publikum lässt Sven Post die Darsteller Platz nehmen und versetzt damit die Zuschauer in die eher beklemmende Lage des (abwesenden) Angeklagten. Schwarz und weiß haben Jürgen Zaun die Bühne und Sergio Abajur die Kostüme gestaltet - in dieser Welt des Alles oder Nichts, in der alles sehr schnell gehen könnte. Wäre da nicht die Geschworene Nummer acht mit ihren Zweifeln.

Ambitioniert und mit großer Spielfreude ziehen die Darsteller ihr Publikum unentrinnbar in das Geschehen hinein, machen die Hitze so fühlbar wie die quälende Erwartung, dass die Querulantin doch endlich aufgeben und sich dem Urteil der anderen anschließen werde. Dass es anders kommt und wie, ist deshalb so spannend, weil die Darsteller sehr authentisch zeigen, wie die Zweifel hineinkriechen in diese Gruppe.

Silke May zeigt die Querulantin als verantwortungsvolle Akteurin, die unbeirrbar die eigenen Zweifel ernst nimmt und Indiz um Indiz in Frage stellt. Traudel Pothen-Salvati ist ein wunderbar sachlicher Obmann in dem Versuch, das Verfahren geordnet durchzuziehen. Als scheu, zerbrechlich, ratlos und dann doch entschieden zeigt Franziska Flachs Geschworene Nummer zwei, Werner Markowitz gibt mit großem Einsatz den grobschlächtigen Kopfab-Protagonisten. Daniel Feldmeier und Martin Wolfers zeigen zwei Skeptiker, die hartnäckig auf dem Schuldspruch insistieren. Mit großem Temperament ist Rita Massaro eine Geschworene mit authentischer Ghettoerfahrung und Kerstin Gierse zeigt lebendig die indifferente Mitläuferin, deren einziges Ziel das nächste Baseballspiel ist.

Hat der Angeklagte sein Messer verloren oder es dem eigenen Vater in die Brust gestoßen? Hat er vergessen, was er im Kino gesehen hat und ist es plausibel, dass die Zeugen behaupten, ihn bei der Tat und bei der Flucht beobachtet zu haben? Manuela Furlani zeigt authentisch die Opportunistin, deren Interesse für das Geschehen recht begrenzt ist. Christine Jansen und Bozana Brozovic dagegen sind zwei Geschworene, die für die begründeten Zweifel von Nummer acht sehr offen sind. Falk Merlin Grossmann präsentiert einen wunderbaren Choleriker und Mann der eher lauten Töne.

Allen zusammen gelingt ein facettenreiches Spiel um Schuld und Verantwortung, Zweifel und Entscheidung.

(KaTse)
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