Martin Maier-Bode im Interview "Satire muss auch was auslösen"

Neuss · Der "Fall Jan Böhmermann", die Reaktionen des türkischen Präsidenten Erdogan auf das Schmähgedicht des TV-Satirikers, beschäftigen nicht nur Politik und Öffentlichkeit, sondern auch deutsche Kabarettisten.

Martin Maier-Bode im Interview: "Satire muss auch was auslösen"
Foto: CHRISTIAN ROLFES

Der in Neuss aufgewachsene Martin Maier-Bode gehört zum Ensemble des Düsseldorfer Kom(m)ödchen, schreibt dafür und für seine Soli Programme und erläutert, ob die aktuellen Ereignisse Folgen für das bundesdeutsche Kabarett haben und wie sie aussehen könnten.

Herr Maier-Bode, befürchten Sie, dass der Fall Böhmermann Auswirkungen auf die Arbeit von Kabarettisten haben wird?

Martin Maier-Bode Ich glaube eher, dass solche Ereignisse anstacheln. Didi Hallervorden hat sich ja auch schon mit einer Reaktion zu Wort gemeldet. Man sieht natürlich auch die negativen Konsequenzen, wenn man erfährt, dass Jan Böhmermann unter Polizeischutz steht. Aber andererseits kann man sich als Satiriker jetzt auch spüren. Man merkt, dass die Arbeit auch Auswirkungen hat. Oft macht man seine Arbeit im luftleeren Raum, erfährt gar nicht, ob sie etwas auslöst. Tatsächlich sind solche Ereignisse also eine zweischneidige Sache.

Erwarten Sie, dass Veranstalter zurückhaltender reagieren, wenn sie künftig Kabarett anbieten?

Maier-Bode Das kann ich mir nicht vorstellen. Und schon gar nicht, dass sich jemand vorher die Texte vorlegen lässt.

Könnte denn die mögliche Strafverfolgung im Falle Böhmermann dazu führen, dass Kabarettisten vorsichtiger werden?

Maier-Bode Nein, auch das glaube ich nicht. Vielleicht wirft man unter Umständen einen kleinen Blick mehr auf das, was man im Einzelnen sagt. Aber es wird für die meisten eher eine Herausforderung sein, ähnliches zu provozieren. Letztlich hat Böhmermann mit seinem Schmähgedicht auch genau das gemacht. Erdogan hat auf seinen ersten Beitrag für "extra 3" reagiert und darauf hat Böhmermann einen draufgesetzt. Wir merken, die Türkei reagiert unglaublich darauf, aber wir sind nicht in der Türkei. Wir arbeiten in dem geschützten Raum Deutschland mit einer freieren Diskussionskultur. Und da ergibt sich mit einem Mal die Möglichkeit, mit seiner Satire noch etwas auszulösen. Das werden sicher noch mehr nutzen.

Satire darf alles? Muss diese Frage immer wieder gestellt werden?

Maier-Bode Satire lebt davon, dass man an die Provokationsgrenze rangeht. Das hat schon Heinrich Heine so gemacht. Satire wird immer ein Ausloten dessen sein, was man sagen kann. Deswegen wird Satire auch immer eine unbequeme Kunst sein, und es wird immer Geschmacksüberschreitungen geben. Aber unsere Gesellschaft macht es aus, dass wir solche Grenzverletzungen zivilisatorisch nehmen. In restriktiven Systemen landet man dafür im Gefängnis.

Wo ziehen Sie in Ihrem Programm die Grenze?

Maier-Bode Die Grenze ist immer auch eine Frage des persönlichen Geschmacks, aber auch jener, was man bewirken will. Ich will grundsätzlich Kritik so äußern, dass sie nicht persönlich ist. Ich finde es interessanter, nicht einfach über die Friseur von Angela Merkel herzuziehen, sondern beschäftige mich lieber mit dem, was sie in den Medien auslöst oder stelle eine Beziehung zur Politik her.

Was ist Ihr Ziel?

Maier-Bode Ich will ein Lachen, das die Zusammenhänge erkennt. Ich will niemanden einfach nur beleidigen.

Böhmermanns Schmähgedicht spaltet die Nation. Die einen finden es pubertär, die anderen satirisch. Was ist es für Sie?

Maier-Bode Bei einer Lesung im Kulturkeller habe ich auch mit dem Publikum über Jan Böhmermann und sein Schmähgedicht diskutiert. Ich hab anfangs auch gedacht, dass es eher eine pubertäre Einlassung ist, aber nachdem ich jetzt doch den ganzen Auftritt im Internet angeschaut habe, wie er das einbettet, merkt man schon, wie bewusst er damit umgeht. Der Sinn war durchaus zu sehen: Wie weit kann man gehen? Und wie geht man mit satirischen Texten um? Pubertär kommt mir das jetzt nicht mehr vor.

Das klingt danach, als ob viele nur die halbe Wahrheit wahrnehmen. Es scheint ja auch so, als ob gerade Satire gerne verkürzt wiedergegeben wird.

Maier-Bode Ja, das ist aber mehr ein Problem der Rezeption als des Senders. Vor diesem Twitter-Problem stehen ja auch die Politiker, sie werden auch oft nur in Auszügen zitiert und müssen dann aufwendig den Gesamtzusammenhang erklären. Ähnlich ist es auch bei Jan Böhmermann passiert, aber man muss schon fair bleiben und das Ganze sehen.

HELGA BITTNER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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