Neuss Rechts vor links im Gründerzeit-Viertel

Neuss · Der Beschluss zum ampelfreien Umbau der Kanalstraße ist Auftakt für eine Veränderung im ganzen Quartier. Nächste Baustelle: Breite Straße

 Die Ampeln an der Kanalstraße werden abgebaut, die Kreuzungen neu gestaltet. Das ist der Einstieg in einen Umbau des ganzen Quartiers.

Die Ampeln an der Kanalstraße werden abgebaut, die Kreuzungen neu gestaltet. Das ist der Einstieg in einen Umbau des ganzen Quartiers.

Foto: L. Hogekamp

Das sogenannte Gründerzeit-Viertel zwischen Friedrichstraße und Drususallee, Stadtgarten und Erftmühlengraben, wird sich aus Autofahrersicht gründlich verändern. Mittelfristig wird in diesem Quartier Tempo 30 und vor allem an allen Kreuzungen die Regelung "Rechts vor links" gelten.

Auslöser für diesen Wandel ist die Entscheidung zum Umbau der Kanalstraße. Sie wird nach Abschluss der laufenden Kanalbauarbeiten so wiederhergestellt, dass diese Einbahnstraße auch gegen die Fahrtrichtung für Radfahrer geöffnet wird und die Ampeln an den Kreuzungen Breite Straße und Erftstraße trotzdem wegfallen. Professor Jürgen Gerlach von der Bergischen Universität Wuppertal hält diese Öffnung wie auch den Ampelverzicht nicht nur für vertretbar, nein, er rät dringend dazu. "Die Ampeln waren einmal notwendig, aber sie haben sich überholt", sagte der Verkehrs-Sicherheitsexperte am Mittwochabend im Planungsausschuss.

Gerlachs Einschätzung hatte namentlich die CDU zur Voraussetzung dafür gemacht, dem ampelfreien Umbau zuzustimmen. Seine uneingeschränkte Empfehlung macht nun den Weg dafür frei, den im Dezember unter diesem Sicherheitsvorbehalt gefassten Ratsbeschluss umzusetzen. Damit ist auch verbunden, die Kreuzungen durch Fahrbahnanhebungen in den Einmündungen barrierefrei zu machen - und den Verkehr so abzubremsen.

Aufgepflasterte Kreuzungen, so zeigte Gerlach eine Konsequenz aus dieser Entscheidung auf, weisen überall in Deutschland auf die Vorfahrtsregelung "Rechts vor links" hin. Sie nur an zwei Knoten umzusetzen, sei bestenfalls vorübergehend akzeptabel, sagte Gerlach. Das heißt im Klartext: Breite Straße und Erftstraße können nur mit entsprechender Beschilderung Vorfahrtsstraße bleiben - und das auch nicht auf Dauer. Und: Alle Kreuzungen im Quartier müssen baulich angepasst, heißt: aufgepflastert werden.

Das ist nach Angaben von Planungsdezernent Christoph Hölters "zeitnah beabsichtigt", beginnend an der Breite Straße. Nach und nach würden dann auch die anderen Straßen angefasst, da das Kanalnetz im ganzen Viertel über 100 Jahre alt und entsprechend marode ist. An Kanal- und Liedmannstraße läuft derzeit der Austausch.

Die Debatte über Einbahnstraßenöffnung, (minimalen) Parkplatzverlust und Ampelverzicht wurde am Mittwoch zum wiederholten Male und erneut nicht ideologiefrei geführt. UWG, AfD und vor allem die FDP waren bis zuletzt gegen diese Idee. Ihnen leuchtete zum Beispiel nicht ein, warum die Kanalstraße fahrradfreundlich umgebaut und für Radfahrer geöffnet werden soll, wo es doch parallel an Friedrichstraße und Breite Straße Radwege gibt. "Wir sind kein zweites Münster", sagte Manfred Bodewig (FDP), der nicht genug Radfahrer ausmachen kann, die ein "Aufbohren" der Kanalstraße rechtfertigen würden. Die Öffnung, hielt Gerlach dieser Argumentation entgegen, "hat nichts mit Menge zu tun, sondern mit Sicherheit". Denn die Radler würden ja auch jetzt schon gegen den Strom fahren. Und: Tempo 30 und Barrierefreiheit seien für alle gut, die im Quartier unterwegs sind.

(-nau)
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