Ermittlungen gegen Facebook-Gruppe Neusser Politiker wussten von Hetze bei "Nüssbook"

Neuss · Der Staatsschutz ermittelt gegen die Facebook-Gruppe "Nüssbook - Neusser helfen Neussern". In dem Netzwerk sind zahlreiche Neusser Politiker Mitglied. Sie wussten, was dort los war - doch längst nicht alle gaben Contra oder traten aus. Von Facebook gibt es zu der Gruppe keinen Kommentar.

Nüssbook-Seite: Politiker aus Neuss sind Mitglieder in der Facebook-Gruppe
Foto: Screenshot Facebook / "Nüssbook - Neusser helfen Neussern"

Schon vor der Veröffentlichung des NGZ-Artikels kursierte eine Meldung unter den Facebook-Nutzern. Inhalt: Man könne auch als Nicht-Mitglied der geschlossenen Gruppe "Nüssbook — Neusser helfen Neussern" sehen, wer sich dort tummelt. Hakan Temel, Stadtverordneter der SPD, nahm das zum Anlass, um sich die immer nur am Rande beobachtete Seite mal näher anzusehen — und auszutreten. Hugo Hoff (Piratenpartei) blieb drin. "Das, was da gepostet wurde, war mir schon immer zu blöd", sagt er. Eine Meinung, der bislang aber keine Taten folgten.

Der Pirat ist keine Ausnahme unter den Neusser Politikern, die sich auf dieser Seite als Mitglied registrieren ließen. Er ist eher der Normalfall. Auch Thomas Kaumanns (CDU) hatte die aktuelle Diskussion — wie viele andere — gar nicht (mehr) verfolgt. Er sei der Gruppe beigetreten, so Kaumanns, "als der Zusatz 'Neusser helfen Neussern' noch mehr Gewicht hatte". Das habe zuletzt gar nicht mehr geklappt. Am Freitag war Kaumanns noch Mitglied, sein Parteichef Jörg Geerlings nicht. "Nüssbook, das hörte sich ja erst einmal nett an", sagt Geerlings. Doch als er merkte, was und wie da diskutiert wurde, verließ er das Forum. "Schon vor Tagen", wie er anmerkt.

 Auszüge aus den Reaktionen im "Nüssbook - Neusser helfen Neussern" auf die Staatsschutz-Ermittlungen. Manche Mitglieder freuen sich, das "endlich" etwas passiert. Andere versuchen, den Vorgang herunterzuspielen.

Auszüge aus den Reaktionen im "Nüssbook - Neusser helfen Neussern" auf die Staatsschutz-Ermittlungen. Manche Mitglieder freuen sich, das "endlich" etwas passiert. Andere versuchen, den Vorgang herunterzuspielen.

Foto: ngz

"Ich bin beunruhigt, ja entsetzt"

Genauer als die meisten Politiker schaut der Staatsschutz hin, der sich für diese Facebook-Gruppe und deren Administratoren interessiert, seit auf dem Portal gegen Ausländer gehetzt wird und rechtsradikale Äußerungen ebenso wie krude Verschwörungstheorien verbreitet werden. Einer der vier Administratoren, Wolfgang Schmitz, bewegt sich mit seinen Äußerungen insbesondere zum Holocaust teilweise im juristischen Grenzbereich. So dokumentiert das Blog "neusserbullshit" unter anderem diesen Kommentar von Schmitz: "Die Gaskammern dienten bevorzugt der Entlausung, eine andere Nutzung konnte nie erklärt und bewiesen werden."

Eine, die die Konsequenzen zog und austrat, war die SPD-Kreistagsabgeordnete Astrid Westermann. Sie sei Mitglied geworden, sagt sie, "weil ich in allen Neuss-relevanten Gruppen unterwegs sein und mich informieren wollte". Weil es zuletzt keine Neuigkeiten mehr gab, mied sie dieses Forum und bekam nur am Rande mit, "dass es da Ärger gab". Erst am Freitag schaute sie wieder einmal genauer hin und stellte fest: "Ich bin beunruhigt, ja entsetzt. In diesem Umfeld will ich mich nicht länger blicken lassen." Persönlich glaubt sie, eine Lektion gelernt zu haben: "Man muss verflucht gut aufpassen beim Handling von öffentlichen Facebook-Gruppen."

"Kein Kommentar" von Facebook

Roland Sperling (Die Linke) weiß das schon länger. Er wurde "Nüssbook - Neusser helfen Neussern"-Mitglied, als dort über die Einrichtung von Bürgerwehren heiß diskutiert wurde. "Ich habe versucht, zwei bis drei Mal Contra zu geben", sagt der Anwalt. Dann aber habe er gemerkt, "dass das in dieser Gruppe nicht viel nützt." Drin blieb er trotzdem — als Beobachter. Er sei schon öfter angesprochen worden, ob man rechtlich gegen Äußerungen auf dieser Plattform vorgehen könne, sagt der Rechtsanwalt, doch bislang musste er abwinken. "Das sind zwar zum Teil ekelhafte Meinungsäußerungen, die aber nicht den Grad der Volksverhetzung erreichen." Eine Grauzone. In anderen Fällen, wo Menschen auf Facebook Opfer rechter Hetze geworden sind, sei er allerdings erfolgreich gewesen. Das bringt ihm in der kommenden Woche eine Einladung der Gruppe "Neuss gegen Rechts" ein. Sperling: "Die wollen wissen, was in solchen Fällen getan werden kann."

Eine Idee für eine Lösung für das Problem hat Carsten Thiel (UWG) zur Hand: "Wer sich in dieser Weise öffentlich äußert, und alle, die das liken oder teilen, sollte man von Facebook ausschließen." Eine andere Lösung praktiziert der Stadtverordnete, der in vielen Foren Mitglied ist, selbst: Ignorieren. "Ich lese nur alles über Fortuna."

Facebook wollte auf Anfrage das Geschehen bei "Nüssbook — Neusser helfen Neussern" nicht kommentieren. Dies gilt gleichermaßen für die offenbar rechten Kommentare einiger Mitglieder wie für die Frage, ob die Gruppe überprüft wurde, nachdem sie von ehemaligen Gruppenmitgliedern an Facebook gemeldet worden war.

(-nau)
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