Metzger Matzner in Neuss Wo Weihnachten mit dem Gang zum Metzger beginnt

Neuss · Einmal im Jahr öffnet die Metzgerei Matzner in Neuss schon um 6 Uhr - so groß ist der Ansturm am letzten Verkaufstag vor Heiligabend. Denn für viele Kunden beginnt Weihnachten damit, dass sie ihre Bestellung abholen. Das hat schon Tradition. Wir haben uns in die Schlange eingereiht.

Neuss: Traditioneller Weihnachtseinkauf bei Metzger Matzner
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Traditioneller Weihnachtseinkauf bei Metzger Matzner in Neuss

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Foto: Ludger Baten

Es ist 5.51 Uhr. In neun Minuten öffnet die Glastür, die schon jetzt den Blick auf die lange Theke mit Fleisch- und Wurstwaren frei gibt. Frauen und Männer, schwarze Hemden, burgunderrote Schürzen, wuseln umher, bereiten sich auf den Ansturm vor. Der formiert sich auch jetzt, zur frühen Stunde, schon auf der Büttger Straße in Neuss ebenso wie auf der Cheruskerstraße in Oberkassel. Ein knappes Dutzend Frühaufsteher sind es in Neuss jetzt schon.

Beim Metzger Matzner am 24. Dezember um 6 Uhr zum Verkaufsstart dabei zu sein, hat Tradition. Weil Heiligabend in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt, ist der finale Kauftag vor Weihnachten der 23. Dezember - aber auch da heißt es: The same procedure as every year! "Die 6-Uhr-Öffnung am Heiligabend haben wir von unserem Vater übernommen", sagt Leopold Matzner jun. (59), der gemeinsam mit Bruder Thomas (53) den Betrieb führt. "Es ist kaum zu glauben, aber für viele Stammkunden beginnt Weihnachten damit, dass sie bei uns ihre Bestellung abholen." Heiteres Schlange stehen statt hektischem Gedränge. Wer geduldig wartet, hat Zeit für ein Gespräch mit den anderen Wartenden. So gewinnt der Kunde Lebensqualität.

Uwe Rieck aus Hoisten ist so ein Kunde. Er kommt seit 40 Jahren. Immer Heiligmorgen, immer um 6 Uhr. Heute war er der erste in der Schlange. "Ich war schon Kunde, da hatte Vater Matzner das Geschäft noch am alten Standort ein paar Häuser weiter", sagt Rieck. Er kommt mit Siegfried Hoffmann aus Meerbusch ins Gespräch, der ebenfalls seit vielen Jahren zu den Frühkunden gehört. Das Duo ist sich einig. Der 6-Uhr-Besuch lohnt: "Dann ist das Geschäft noch relativ leer und vor allem wir finden noch einen Parkplatz in der Stadt." Auffallend: Vor allem Männer bilden die Gruppe, die um Punkt 6 Uhr an die Theke stürmt, während gegenüber ein Taxi die letzten Nachschwärmer aus der Musikkneipe "Hamtorkrug" abholt.

Bei Matzner beginnt der Betrieb täglich um 6 Uhr, aber nur einmal im Jahr öffnet auch das Geschäft bereits zu so früher Stunde: Heiligabend. Ein Großkampftag, der bis ins Detail vorgeplant sein will. 900 Bestellungen müssen in diesem Jahr bearbeitet und verpackt sein, wenn sich die Tür öffnet. Ein ausgeklügeltes System mit langen Namens- und Nummernlisten sorgt für möglichst schnelle, reibungslose Übergabe an die Kunden. Allein im Neusser Stammhaus steht ein 20-köpfiges Team hinter der Theke bereit; an beiden Enden ist eine Kasse installiert, an der jeweils zwei Verkäuferrinnen abrechnen, während zwei weitere Kollegen als "Läufer" die in Tüten verpackte Ware aus dem Kühlhaus holen. Und so nebenbei geht der individuelle Verkauf weiter: "Zehn schlesische Weißwürste bitte!" Die Spezialität aus der alten Heimat des inzwischen verstorbenen Vaters Leopold sen. ist längst auch ein Verkaufsschlager im rheinischen Neuss. Und welche Fleisch- und Wursttrends wurden in dieser Adventszeit gesetzt? "Wild", sagt der ältere der Matzner Brüder, "so viel Wild wie in diesem Jahr wurde noch nie nachgefragt."

Das Weihnachtsgeschäft bindet alle Matzner-Kräfte. Da wächst das Team an zwei Standorten auf mehr als dreißig Mitstreiter an. In den Geschäften, in der Produktion oder als Fahrer zwischen den beiden Filialen. Für Catering, das Jahr über ein wichtiges Standbein, bleibt zu Weihnachten keine Zeit. Wohl aber beobachtet Matzner einen anderen Trend: Vermehrt werde zu Fertiggerichten gegriffen. Fleisch, wie zum Beispiel Sauerbraten oder Rouladen, mit Soße. Der Kunde muss dann zu Hause nur noch die Beilagen selbst zubereiten. Auch die Fertiggerichte stammen alle aus der Produktion des Metzgers. Thomas Matzner hat noch einen anderen Trend ausgemacht: "Die Kunden bestellen immer später." Das sei eine Herausforderung. Claudia Lamberti hat mit ihren Kollegen bis 1.30 Uhr die Tüten gepackt. Die Matzner Brüder selbst haben gerade einmal eine Stunde geschlafen. Ausnahmezustand.

Einer der noch früher beginnt als die Matzners, ist Michael Wegel (60). Wenn der Konditormeister morgens um 4 Uhr von seiner Wohnung zur Backstube geht, dann ist es beim Metzger Matzner, der auf seinem Weg liegt, noch dunkel. Das ändert sich nur einmal im Jahr. Heiligabend. "Heute war's auch so", sagt Wegel, "weil Heiligabend morgen am Sonntag ist." Wegel selbst, unterstützt von seiner Auszubildenden Lea Schlosser (21), arbeitet heute auch die Vorbestellungen ab. Lauter Kuchen. "Ein Kunde hat sich gewünscht, dass ich seine Torten mit seiner Internetadresse verziere", sagt Wegel. Wird natürlich gemacht. Heute wird er wie immer am Samstag bis 16 Uhr geöffnet haben. Morgen Früh steht er wieder in der Backstube. Vorbestellungen abarbeiten. Die können dann zwischen 10 und 12 Uhr abgeholt werden.

Wenn heute der Kundenansturm abebbt, schließt am Nachmittag auch Matzner. Bis 14 Uhr sollen alle Bestellungen abgeholt sein. Die Namen, die auf den dann noch nicht abgeholten Tüten stehen, werden aber noch abtelefoniert. Man kennt sich ja. Und irgendwann zwischen 14 und 15 Uhr schließt sich die Tür endgültig vor Weihnachten. Theke ausräumen, sauber machen. Dann beginnt auch für das Team um Nicole, Poldi, Thomas und René Matzner Weihnachten - ein Tag früher als gewöhnlich. Dass Matzner, was rechtlich möglich gewesen wäre, auch am 24. Dezember öffnet, stand nie zur Debatte. "Der Sonntag gehört der Familie", sagt Leopold Matzner, "wir gönnen unseren Mitarbeitern den freien Heiligabend — und uns auch." Es kommt ja nicht so oft vor, dass Heiligabend auf einen Sonntag fällt. Der Weihnachtseinkauf bei Matzner um 6 Uhr früh gelingt ja auch schon am 23. Dezember.

(lue-)
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