Neuss CDU-Basis nickt Groko-Vertrag ab

Neuss · Die CDU-Mitglieder haben Gesprächsbedarf. Diese Erkenntnis nehmen die Delegierten aus dem Kreis mit nach Berlin, wo am Montag der Bundesparteitag der Christdemokraten stattfindet. Im Vorfeld legten Mandats- und Amtsträger um Minister Hermann Gröhe am Samstag ihre Hand an den Puls der Basis.

 Wollte mit seinen kritischen Anmerkungen zum Groko-Vertrag Merkpunkte für die Zukunft setzen: Wolfgang F. Karsten, seit 40 Jahren CDU-Mitglied.

Wollte mit seinen kritischen Anmerkungen zum Groko-Vertrag Merkpunkte für die Zukunft setzen: Wolfgang F. Karsten, seit 40 Jahren CDU-Mitglied.

Foto: lue-

Mehr als 70 Mitglieder aus dem "Gröhe"-Wahlkreis - Dormagen, Grevenbroich, Neuss und Rommerskirchen - waren der Einladung in die Neusser Parteizentrale gefolgt, um den Vertrag für eine Große Koalition (Groko) der Union mit der SPD zu diskutieren. Es wurden 120 spannende Minuten, in der mehr Kritik als Lob für das 177 Seiten starke Werk laut wurde. Doch allem Unbehagen zum Trotz gab's am Ende Beifall für Cornel Hüsch. Der frühere Neusser CDU-Chef dankte Minister Gröhe für "harte Verhandlungen", wobei Hüsch den Vertrag schon als Vorbereitung auf die nächsten Bundestagswahlen interpretierte: "Wir wollen eine Politik, die die Mitte stärkt und zugleich die Ränder einbindet." Hüsch rief den Delegierten zu: "Fahrt nach Berlin und stimmt zu." Kein Widerspruch.

In vielen Redebeiträgen artikulierte sich dennoch Unzufriedenheit am vorliegenden Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten. Doch die Kritik hatte keinen einheitlichen Fokus, blieb subjektiv in Einzelfallbetrachtungen stecken: fehlende Steuerentlastung für Leistungsträger der Gesellschaft, Mehrzahlungen für Europa bei gleichzeitigem Verlust von Einfluss für Deutschland, keine wesentliche Stärkung der Bundeswehr, mehr Bürokratie und Reglementierung.

Tief sitzt in der CDU-Basis offenbar der Frust, dass auch das Finanzministerium künftig von einem Sozialdemokraten geführt werden soll. Den Verlust bezeichnete Gröhe als "schmerzlich", er sei aber zu akzeptieren. Auch 2005, zu Beginn der Ära Merkel im Kanzleramt, habe die SPD mit Peer Steinbrück den Finanzminister gestellt, obwohl das Auswärtige Amt (Steinmeier) und das Arbeits- und Sozial-Ministerium (Scholz) ebenfalls von Sozialdemokraten geführt wurden.

In dieser Situation komme der CDU/CSU-Bundestagsfraktion künftig ein "Wächteramt" zu; daher sei es auch richtig, einen Koalitionsvertrag zu haben, der vielfach ins Detail gehe.

Nach der lebhaften Debatte war die Zustimmung vor allem zum Veranstaltungsformat groß. "Die Partei lebt", sagte Cornel Hüsch, und auch Wolfgang F. Karsten (75), der sich zuvor mehrfach kritisch geäußert hatte, war zufrieden. Er wolle ja keine Stimmung gegen den Groko-Vertrag machen, sagte der Ex-Banker: "Ich möchte Merkpunkte für die Zukunft ansprechen." Und da habe er den Eindruck, er sei gehört worden.

(-lue)
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