Neuss Neue Deutsche Welle in der Wetthalle

Neuss · Die Band "Fehlfarben" machte in Deutschland die Punkmusik groß, gilt aber als Vertreter der Neuen Deutschen Welle. Freitag holte sie Michael Bernd, der selbst mit seiner Band "Zweistein" auftrat, in die Wetthalle.

Texte einer phantasievollen Rebellion: Fehlfarben-Sänger Peter Hein trat mit seiner Band am Freitag in der Wetthalle am Rennbahnpark auf.

Texte einer phantasievollen Rebellion: Fehlfarben-Sänger Peter Hein trat mit seiner Band am Freitag in der Wetthalle am Rennbahnpark auf.

Foto: Endermann

Die Neusser Wetthalle hat ihren Ruf, ein gutes Pflaster für scheinbar längst vergangene "Musikdinos" zu sein, erneut unter Beweis gestellt. Dass dieser Veranstaltungsort keine akustische Offenbarung ist, steht jedoch fest, für zukünftige Konzerte sollte daher dringend über ein professionelleres Beschallungskonzept nachgedacht werden.

Mit der Düsseldorfer Formation "Fehlfarben", einer band der "Neuen Deutschen Welle" aus den 1980er Jahren, trat am Freitag nach Kraan, Birth-Control und Grobschnitt ein weiteres Urgestein deutscher Musikhistorie auf. Allesamt verpflichtet vom Neusser Michael Bernd, selbst Musiker und bei den Deutschrockern von "Zweistein" für die Tastentöne verantwortlich. Als Vorprogramm hatten die sich noch mit Martin H. Potter, eigentlich Rhythmusgeber bei der Düsseldorfer Band "Das Königshaus" verstärkt.

Prägend für das aufkeimende Selbstverständnis in den 1970er und 1980er Jahren, die Muttersprache und damit deutsche Texte als Transportmittel für die Kritik am Establishment zu nutzen, standen "Fehlfarben" stets für phantasievolle Rebellion. Dabei kamen sie aber nie in die Nähe von so mancher Spaßband wie Nena oder Fräulein Menke, die auch auf der "Neuen Deutschen Welle" ritten. Da lag für "Fehlfarben" der Sinn doch eher im Punk, für dessen Aufstieg in Deutschland sie mitverantwortlich sind. Für das Album "Monarchie und Alltag" gab es außerdem die Goldene Schallplatte. Dass es rund 20 Jahre dafür brauchte zeigt: "Fehlfarben" sind nie aus der Mode gekommen!

Rund um den charismatischen Frontmann Peter Hein, der selbst übrigens auch eine Auszeit nahm, gab es in den letzten 35 Jahren manche Umbesetzung. Das künstlerische Querdenkertum haben "Fehlfarben" aber niemals abgelegt. Schlagzeugerin Saskia von Klitzing, Michael Kemner am Bass, die Keyboarder Kurt Dahlke und Frank Fenstermacher sowie Gitarrist Uwe Jahnke präsentieren grundsoliden Rock mit den typisch enervierend kritischen Texten.

Es gibt wenige Sänger, die eine so spielerisch wirkende Penetranz in ihren Vortrag einbringen können, augenzwinkernd ätzend, sprachlich mächtig, jede Liedzeile ein Hieb. "Paul ist tot", "Militürk", "Hier und Jetzt" und "Ein Jahr" (es geht voran) - das sind die Hymnen einer Jugend, strebend nach geradezu revolutionärer demokratischer Neugründung der Bundesrepublik. Dabei stets verbunden mit der Abkehr von allen bis dahin verklärten Tugenden verstaubter Generationen. Eine Textpassage wie: "...es liegt ein Grauschleier über der Stadt, den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat..." kam zu der Zeit wirklich gut an.

Einige Zuhörer sind nun selber Eltern, nähern sich ihrerseits dem Rentenalter, doch "too old to rock'n roll" ist an diesem Abend niemand. Nach neunzig Minuten mit "Fehlfarben" ist Schluss, die Stimmung kann kaum besser sein. Ob es Peter Hein aber im Anschluss noch gegenüber in die alte Heimat "okie-dokie" geschafft hat, bleibt allerdings Spekulation.

(NGZ)
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