Neuss Musikerlebnis voller Spannung und Emotionen

Neuss · Es gibt eine religiöse Ästhetik der Dissonanz. Das erfuhren die Zuhörer in der gut besetzten Quirinusbasilika bei einem emotional höchst spannungsgeladenen Konzert zum Palmsonntag. Im Mittelpunkt standen die "Seven Last Words from the Cross" für Chor und Streichorchester des schottischen Komponisten James MacMillan (57). Der Kammerchor "Capella Quirina" und das Neusser Kammerorchester waren von Münsterkantor Joachim Neugart exzellent vorbereitet worden und zeichneten ein aufreibendes, aber völlig pathosfreies Porträt der Schmerzen Jesu am Kreuz.

 Die Capella Quirina gestaltete mit dem Neusser Kammerorchester das Passionskonzert im Quirinusmünster.

Die Capella Quirina gestaltete mit dem Neusser Kammerorchester das Passionskonzert im Quirinusmünster.

Foto: Capella Quirina

Der Katholizismus und seine spirituelle Seite prägen die 1993 von der BBC in Auftrag gegebene Kantate, in der MacMillan ein dramatisches Spannungsfeld zwischen Trauma, Tod und Erlösung zeichnet. Vom Chor werden alle Schattierungen der vokalen Ausdruckspalette verlangt: Starke Polytonalität, dissonante Passagen und dichte Cluster stehen im Gegensatz zu offenem Gleichklang und gar gregorianischem Choral.

Die Soprane müssen beim "Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein" in paradiesische Höhen und schaffen das glasklar. A-cappella-Sätze im Fortissimo bleiben in allen Stimmen wunderbar homogen. Die Männerstimmen machen das Kreuz sichtbar, zwei Solotenöre verzieren den Choral großartig. Das Orchester ist dem Kammerchor beim dramatischen Geschehen gleichwertiger Partner.

Von der dichten Komposition inspiriert, spielten die Mitglieder auch schwierigste Hürden vollkommen konzentriert. Der Kraftakt hinter dieser starken Leistung ist nur zu vermuten. Effektvolle Akkorde markieren die Hammerschläge, schier endlose Crescendi gelingen wirkungsvoll, zum Ende - "Es ist vollbracht!" - zerreißen die Streicher die Vorhänge im Tempel. Der Chor verstummt, die Menschen haben keine Worte mehr, Streicherseufzer verlieren sich im Nirgendwo.

Im Chorbass singt der Dorstener Kantor Hans-Jakob Gerlings. Er hatte auf der Münsterorgel das eindrucksvolle Chorwerk mit der Meditation "Jesus nimmt das Leiden auf sich" von Olivier Messiaen vorbereitet. Das "neue", weil meisterhaft restaurierte Instrument gab ihm die Möglichkeit zu einem packenden Klangbild.

Auch der Kammerchor bereitete das Hauptwerk des Abends mit der a-cappella-Motette "Vinea mea electa" von Francis Poulenc vor. Die bildhafte Ausdeutung des Textes aus der Nachtmette zum Karfreitag, ein Klagelied Jesu - "Mein erwählter Weinberg, warum bist du bitter geworden, dass du mich kreuzigst?" -, sang der Chor bereits mit ergreifender Klangintensität.

(Nima)
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