Neuss Münsterorgel zeigt sich in neuem Gewand

Neuss · Nachdem nun auch der neue Spieltisch für die Münsterorgel installiert ist, kann das Instrument vielfältiger als bisher genutzt werden.

 Münsterkantor Joachim Neugart am neuen Spieltisch der Orgel in St. Quirin. Er bietet ihm und seinen Kollegen viel mehr Möglichkeiten.

Münsterkantor Joachim Neugart am neuen Spieltisch der Orgel in St. Quirin. Er bietet ihm und seinen Kollegen viel mehr Möglichkeiten.

Foto: Lothar Berns

Das Neusser Quirinusmünster, 2009 von Papst Benedekt XVI. aus Anlass des 800-jährigen Jubiläums der Grundsteinlegung zur "Basilica minor" erhoben, ist eine der bedeutendsten spätromanischen Kirchen am Rhein. Seit 1907 verfügt dieser repräsentative Sakralbau über ein entsprechendes Instrument: Die von Ernst Seifert (Kevelaer) erbaute Münsterorgel ist mit rund 6000 Pfeifen eine der größten im Erzbistum Köln. Mehrere Monate lang war die Orgel Baustelle, wurde das auf vier Manualen und Pedal über 86 klingende Register verfügende Instrument durch Orgelbaumeister Franz Peters (Firma Seifert) in enger Zusammenarbeit mit Münsterkantor Joachim Neugart einer gründlichen Reinigung, Renovierung, zum Teil sogar Restauration unterzogen. Rund 280.000 Euro wurden investiert.

Auch die äußere Erscheinung ist verändert. 1938 wurden aus dekorativen Gründen vor die in den Seitenemporen aufgebaute Orgel stumme, also nicht klingende Prospektpfeifen gesetzt. Bei der Neuintonierung entschieden die Fachleute jetzt, diese zu entfernen und damit das ursprüngliche Klangbild wiederherzustellen. Das Ergebnis ist ungemein überzeugend: Ein reiner, nunmehr "ungebremster" Orgelklang lässt die "alte Dame" regelrecht glänzen. Der Vorteil ist umso größer, da das Instrument durch die Aufstellung in den Seitenemporen nur indirekt in das Hauptschiff der Kirche strahlt.

Ihre Bedeutung als "romantisches Meisterwerk" erhält die Orgel auch durch einen neuen Spieltisch. Herzstück ist das erst in wenigen Orgeln realisierte digitale Sinua-System. Dahinter stehen Benedikt Aufterbeck und Thomas Stöckl, der eine Orgelbauer, der andere Toningenieur. Sie lernten sich während ihres Studiums an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule kennen und kamen schnell zur gemeinsamen Überzeugung, dass sich die Schätze der Königin aller Instrumente neu entdecken lassen.

Ihr System, innovative Steuerelektronik auf der Basis eines PC, bedeutet nicht nur zeitgemäße, neue Freiheiten im Bedienkomfort, sondern auch geradezu eine musikalische Revolution im Hinblick auf Klangfarblichkeit. Die berührungslose Einschaltung der Orgel durch einen Chip, der gleichzeitig den Nutzer identifiziert und seine 3000 Registerkombinationsmöglichkeiten speichert, gehört heute fast zum Standard. Da die Orgel aber über zehn "Setzer" verfügt, ergeben sich rein theoretisch 30.000 Kombinationsmöglichkeiten. Die festgelegten Registrierungen lassen sich an mehreren Stellen der Orgel weiterschalten. Raffiniert: Das kann auch durch einen Tippsequenzer zwischen den Manualen in Sekundenbruchteilen geschehen. "Freezer" für Manuale und Pedal fesseln einen einmal angeschlagenen Ton. Das bietet attraktive Möglichkeiten etwa bei Improvisationen.

Neben vielen weiteren intelligenten digitalen Lösungen bietet der neue Spieltisch einen bisher ziemlich einmaligen Komfort: Die Pedalklaviatur lässt sich zehn Zentimeter in der Höhe stufenlos verstellen. Für viele Konzertorganisten, wird der neue Spieltisch zu einer spannenden Entdeckungsreise.

Der alte Spieltisch (von 1947) bleibt übrigens in der südlichen Seitenempore als zeitgeschichtliches Dokument erhalten. Damit ergeht es ihm nicht wie den rund 30 Orgelpfeifen eines 1907 eingebauten Registers, die 1974 versteigert wurden. 20 bleiben verschwunden - aber immerhin zehn hat Neugart wiederauffinden können.

(NGZ)
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