Neuss Mit dem Pinsel gegen Schimmelpilz

Neuss · Mit der "Amtshilfe" des Stadtarchivs bringt das Clemens-Sels-Museum seinen Bestand im Feld-Haus auf einen aktuellen Stand, Restaurator Marcus Janssens säubert und stellt jahrzehntealte Papierarbeiten wieder her.

 Restaurator Marcus Janssens (l.) demonstriert Romina Pieper und Ulf Sölter in seiner Werkstatt die filigrane Arbeit an den Ausstellungsstücken.

Restaurator Marcus Janssens (l.) demonstriert Romina Pieper und Ulf Sölter in seiner Werkstatt die filigrane Arbeit an den Ausstellungsstücken.

Foto: Woi

Die eigentlich wenig schönen Rückseiten sind es, die in ganzer Pracht zeigen, was Staub und sogar Insekten auf der Vorderseite angerichtet haben. Hinten leuchtet ein knalliges Rot, das vorn nur noch zu ahnen ist. Hinten zeigt der Faden, dass er mal richtig plüschig war, vorne ist er dünn und unscheinbar geworden. Eine wahre Herausforderung für Marcus Janssens, den Restaurator des Stadtarchivs, der naturgemäß mehr mit Papier zu tun hat, aber jetzt mit Stoffen, Garnen und Pflanzenresten arbeitet.

Rund 100 Blätter aus dem Bestand des Feld-Hauses haben ihm Ulf Sölter, stellvertretender Direktor des Clemens-Sels-Museum und für die Dependance auf der Raketenstation zuständig, und seine Mitarbeiterin Romina Pieper nach und nach in die Archivwerkstatt gebracht. Denn die beiden bereiten gerade eine Ausstellung vor, die "Gestickte Haussegen auf Luxuspapier" präsentiert. Das Problem: Viele der Blätter sind in einem miserablen Zustand. In einigen Fällen liegen gar Leichen unter dem Glas - von Insekten, die zwar längst vertrocknet sind, aber zuvor reichlich Schaden angerichtet haben.

 Vorne hui - hinten pfui? Intensive Farben auf der Rückseite (l.), die eigentlich repräsentative Vorderseite (r.) des Segens fleckig und verblichen.

Vorne hui - hinten pfui? Intensive Farben auf der Rückseite (l.), die eigentlich repräsentative Vorderseite (r.) des Segens fleckig und verblichen.

Foto: M. Janssens

Denn die Segenssprüche, die per Hand und Faden auf maschinell vorgelochten Karton gestickt wurden, bekamen oft genug zusätzliche Verzierungen aus echten Pflanzenresten. "Selbst Schimmelpilz habe ich gefunden", sagt Janssens, der den Schäden mit filigranem Werkzeug und viel Geduld zu Leibe rückt. Kleine Pinsel, Schwämmchen, Pinzette, Mikronadel und Bleistift liegen griffbereit auf seinem Arbeitstisch, unter der großen Lupe wird auch die kleinste Schadstelle sichtbar. Der Staub der Jahrzehnte hat den zumeist um 1880 entstandenen Blättern ebenso zugesetzt wie das Licht, aber in der Regel kann Janssens den alten Zustand (fast) wiederherstellen, muss allerdings auch gelegentlich klarmachen: "Das Blatt darf nicht mehr ausgestellt werden, ist aber lagerfähig."

Lagerfähig - das ist in jedem Fall das Ziel der Restaurierung aller Arbeiten. Denn die Ausstellung ist zwar Anlass für die Kooperation der beiden Institute Museum und Stadtarchiv, aber letztlich geht es dabei um Bestandssicherung. Da gibt es im Feld-Haus noch einiges zu tun, Pieper und Sölter ist die Freude darüber, dass die "Gestickten Haussegen" gesichert werden, anzusehen. "Da gibt es eine dauerhafte Partnerschaft", sagt Sölter lachend, "schon zur vergangenen Ausstellung mit den Blättern des Verlags Felgner im Feld-Haus hatte Marcus Janssens sich der Werke angenommen."

Für Janssens, von Hause aus Papierrestaurator, hat die Arbeit mit den für ihn eher fremden Materialien einen besonderen Reiz. Zunächst muss er austüfteln, welche Methode die schonendste ist. Das fängt schon bei der Reinigung an: lieber mit dem Staubsauger oder doch Druckluft? Reicht gar ein Radiergummi? Braucht es zusätzlich Ethanol? Auf jeden Fall benötigt er viel Fingerspitzengefühl und ein genaues Auge, denn die Garne, mit denen die Heimarbeiterinnen vor mehr als 120 Jahren die Bilder nachgestickt haben, sind brüchig. Die Ursprungsfarbe ist manchmal nur zu erkennen, weil vernähte Garne auf der licht- und staubgeschützten Rückseite der Haussegen in ihren Rahmen nicht gelitten haben. Manche können nur ersetzt, müssen zumindest ergänzt werden, dafür hat Janssens eine Geheimwaffe parat: "Japanische Seidenfäden, davon habe ich 36 verschiedene Farbtöne." Er, der mit starken Leuchten und Lupe arbeiten kann, hat größten Respekt vor der Stickarbeit der vielen Frauen, die das zumeist für wenig Geld, aber im Akkord zu Hause machten: "Sie hatten damals nur Kerzenlicht."

Für Janssens hat die Restaurierungsarbeit für das Museum auch einen ganz pragmatischen Effekt: "Sie bringt mich auch in meiner Arbeit mit unseren Archivmaterialien weiter, denn oft haben Siegel oder Ähnliches auch textile Bestandteile." Außerdem weiß er schon jetzt, dass seine ganze Zunft davon profitieren wird. Die Protokolle der Arbeit an den Haussegen-Blättern werden nämlich in einen Aufsatz für Kollegen münden: "Jeder von uns ist froh, wenn ein anderer über neue Erfahrungen berichten kann."

(hbm)
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