Neuss Matthias-Bruderschaft arbeitet Historie auf

Neuss · Kurz vor dem 250-jährigen Bestehen geben Uedesheimer ihre Dokumente ans Archiv ab. Pfingsten gehen sie auf Wallfahrt nach Trier.

 Josef Weiler, Jürgen Brautmeier und Walter Pissowotzki übergaben Stadtarchivar Jens Metzdorf (v.l.) Dokumente der Matthiasbruderschaft Uedesheim.

Josef Weiler, Jürgen Brautmeier und Walter Pissowotzki übergaben Stadtarchivar Jens Metzdorf (v.l.) Dokumente der Matthiasbruderschaft Uedesheim.

Foto: woi

Es gab Zeiten, da gehörten sie alle dazu. "Ich wurde mit der Taufe Mitglied der Matthiasbruderschaft", berichtet Josef Weiler, heute Brudermeister dieser Bet- und Pilgergemeinschaft, die seit fast 250 Jahren wie selbstverständlich zu Uedesheim gehört. Der Festtag des Heiligen, der 24. Februar, wird bis heute in der katholischen Gemeinde Uedesheims in besonderer Weise gefeiert - und seit 30 Jahren pilgern Männer und Frauen der Bruderschaft auch wieder am Pfingstwochenende zum Matthias-Grab in die Benediktinerabtei St. Matthias nach Trier, wo der einzige nördlich der Alpen bestattete Apostel besonders verehrt wird.

Die Tradition der Bruderschaft in Uedesheim ist ungebrochen, seit sie 1770 das erste Mal erwähnt wird. Eine Chronik belegt beides. Ihr wurde 1928 ein Mitgliedsbuch hinzugefügt, das bis 1979 separat geführt wurde und mehr als eine Namensliste ist. Ihm ist zum Beispiel zu entnehmen, berichtet Jürgen Brautmeier, dass 28 Matthiasbrüder im Zweiten Weltkrieg ihr Leben ließen und auch unter den Opfern des Uedesheimer Fährunglücks vom 7. März 1947 zwei Matthiasbrüder waren. "Bei einem ist sogar die lapidare Bemerkung aufgeführt: Leiche nicht gefunden", sagt Brautmeier.

Chronik und Mitgliedsbuch haben die beiden Brudermeister Walter Pissowotzki und Josef Weiler jetzt dem Stadtarchiv übergeben. Ihm sei nie ganz wohl dabei gewesen, sagt Pissowotzki, dass diese Dokumente zehn Jahre lang ungeschützt in seinem Wohnzimmerschrank lagen. Aber die Mitgliederversammlung wollte es so. Erst in diesem Jahr gab es eine Mehrheit für seinen Vorschlag, die Bücher Stadtarchivar Jens Metzdorf anzuvertrauen - zur Sicherung und für Forschungszwecke.

Drei Jahre vor dem Jubiläum zum 250-jährigen Bestehen arbeitet Jürgen Brautmeier, der den 220 Kilometer langen Pilgerweg nach Trier schon zweimal mitgegangen ist, an einer ersten Abhandlung über die Bruderschaft. Im Jahrbuch "Novaesium" der Stadt wird sie Ende des Jahres erscheinen. Ein Anfang.

Die Bruderschaft steht in einer Tradition der Matthiasverehrung, die im Rheinland besonders ausgeprägt war und sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. 1496 ist eine Matthiasbruderschaft an der Stifts- und Pfarrkirche St. Quirin urkundlich nachweisbar, und Metzdorf nennt es sehr wahrscheinlich, dass sich die Matthiasverehrung über die Äbtissin des Quirinusstiftes, die als Herrin zu Uedesheim die dort tätigen Pfarrer bestimmte, dorthin übertrug. Gesichert allerdings ist das (noch) nicht.

Die Bruderschaft, die 1846 auch ein Gefäß für eine Reliquie des Heiligen stiftete, das der Pfarre Uedesheim aus Rom überlassen wurde, besteht seit 1770 ununterbrochen, doch wird man auch als Uedesheimer längst nicht mehr "automatisch" Mitglied. Die Tradition der Wallfahrten allerdings schlief zwischenzeitlich ein. Erst der damalige Brudermeister Heinrich Kronenberg sorgte dafür, dass sich 1988 wieder eine Pilgergruppe auf den Weg machte. Zwei Jahre hatte er zuvor mit der Kleinenbroicher Bruderschaft "geübt".

Die meisten der 140 bis 160 Gruppen, die Jahr für Jahr das Matthiasgrab besuchen, machen sich am Festtag Christi Himmelfahrt auf den Weg. In der Schar der Apostel ist Matthias nämlich zuerst bei Szenen der biblischen Geschichte zu diesem Ereignis zu sehen. Dass sich die Uedesheimer zehn Tage später mit Pilgerstab und Bruderschaftsfahne aufmachen, hat nach Pissowotzkis Darstellung schlicht damit zu tun, dass sonst unterwegs keine Quartiere für die vier Übernachtungen zu finden wären. Denn es sind stets 20 bis 40 Personen unterzubringen. Dass dieses Problem nicht kleiner wird, hat auch einen ganz weltlichen Grund - auch in der Eifel gibt es ein Gaststättensterben."

(-nau)
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