Neuss Macbeth - Zeremonienmeister des Todes

Neuss · Das Tang Shu-Wing Theatre Studio aus Hongkong lieferte beim Shakespeare-Festival eine "Macbeth"-Inszenierung als Wanderung zwischen den Zeiten ab. Ein Paar von heute träumt sich ins alte China.

 Das Ende ist nah, die Soldaten des Feindes rücken heran: Die bereits tote Lady Macbeth erscheint schon ihrem Mann, noch bevor der in einem letzten Kampf von Malcolm getötet wird.

Das Ende ist nah, die Soldaten des Feindes rücken heran: Die bereits tote Lady Macbeth erscheint schon ihrem Mann, noch bevor der in einem letzten Kampf von Malcolm getötet wird.

Foto: Christoph Krey

Die Schlussszene ist es, die die vorangegangenen zwei Stunden erklärt. Das junge Paar erwacht aus seinem Traum, schaut ratlos und erschrocken um sich. Ganz still ist es, keiner sagt was, aber beide erkennen, dass sie im selben Traum gesteckt haben, der ihnen so viel über sich selber erzählte. Denn was haben sie gemacht - Menschen getötet, Rivalen, deren Frauen und Kinder. Die bloße Machtgier hat sie zu einem Mörderpaar gemacht. Wie Macbeth und seine Lady, in deren Rollen sie im Traum geschlüpft sind.

Der chinesische Regisseur Tang Shu-Wing hat für seine Inszenierung des Dramas mit seinem eigenen Theater in Hongkong und in Kooperation mit dem Londoner Globe Theatre einen zeitgenössichen Rahmen geschaffen, deren Figuren auf die des asiatischen Theaters treffen. Schottland ist da ganz weit weg, auch wenn die englische Übertitelung anderes suggeriert.

Wer die Handlung von "Macbeth" allerdings nicht kennt, wurde ein bisschen alleingelassen, konnte nur raten, was den kantonesisch sprechende Macbeth gerade umtrieb oder welche Pein sein Widersacher Macduff durchmacht, als er von Macbeths Auftragsmord an seiner Frau und seinem Kind hört. Allein Mimik und Gestik bleiben als Mittel des Theaters, um die Feinheiten der Charaktere, ihre Wandlungen und Handlungen nachvollziehbar zu machen.

Daran aber hapert es. Macbeth und seine Lady sind kostümtechnisch und in ihrem Spiel deutlich im zeitgenössischen Rahmen verankert, aber Ng Wai Shek als Feldherr agiert zu puppenhaft-steif, Lai Yuk Ching als Lady hat dagegen sehr viel mehr Menschliches. Das wird vor allem beim Rollentausch sichtbar, als er nach der Pause in das Kleid der Lady schlüpft und sie in den Anzug des Mannes. Der Spielanteil der Lady ist da deutlich kleiner, so dass Ching ihr darstellerisches Gewicht als wütender, zweifelnder, überheblicher und schließlich resignierender Herrscher zeigen kann.

Ob Duncan, Macduff, Banquo, die Söhne Malcolm, Fleance und die Bediensteten - das andere Personal des Dramas reduziert der Regisseur auf Figuren aus einer Zeit und einer Tradition, in der das Theater Zeremonie war und das Menschliche keine Rolle spielte. Das aber mit schlüssigen und ästhetischen Choreographien, wobei Shu-Wing diese zu einem Netz knüpft, das traditionelles und zeitgenössisches Theater geschickt einfängt. Eine ähnliche Funktion hat auch die Live-Musik von Billy Leong Wai Ngok, der mit Geräuschen, Tönen (etwa mit Klangschalen) und vor allem als Perkussionist die Handlung mal trägt, mal vorantreibt.

Und dennoch bleibt der Eindruck zwiespältig: Eine sicherlich konsequente Inszenierung für eine chinesische Theatertruppe, aber für europäische Augen und Ohren schwer zu einem Ganzen zu verbinden.

(hbm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort