Interview "Lukas" verfügt über internationales Renommee

Neuss · Besuch im Lukuskrankenhaus: Prof. Michael Haude, Chefarzt der Kardiologie, und Nicolas Krämer, kaufmännischer Geschäftsführer, haben auf dem NGZ-Sofa Platz genommen.

 Professor Michael Haude, Chefarzt der Kardiologie des Lukaskrankenhauses, beim Talk auf dem Blauen NGZ-Sofa mit Redaktionsleiter Ludger Baten. Neben ihm stand Geschäftsführer Nicolas Krämer Rede und Antwort.

Professor Michael Haude, Chefarzt der Kardiologie des Lukaskrankenhauses, beim Talk auf dem Blauen NGZ-Sofa mit Redaktionsleiter Ludger Baten. Neben ihm stand Geschäftsführer Nicolas Krämer Rede und Antwort.

Foto: WOI

Wenn man durch Ihr Haus geht, hat man nicht mehr den Eindruck eines Krankenhauses wie früher. Die Atmosphäre ist ganz anders.

Michael Haude Krankenhaus hat heute eine andere Dimension erhalten. Neben der medizinischen Versorgung geht es auch um den Hotel-Aspekt. Ein Patient sucht sich ein Krankenhaus heute zum Beispiel auch danach aus, ob das Essen gut ist. Das Gesamtpaket muss stimmen. Und ich glaube, da sind wir gut aufgestellt.

Wie sind Sie zur Medizin gekommen? Durch Ihre Eltern oder Fernsehserien?

Haude Ich entstamme nicht einer Medizinerdynastie. Als Kind hatten wir vielmehr eine exzellente Hausärztin. Wenn wir krank waren, kam sie mit ihrem Arztkoffer, zog ihren Kittel an, hat uns untersucht und mit ihren Medikamenten geholfen. Schon damals habe ich mir gedacht: Das könnte ich mir auch einmal als Beruf vorstellen. In der Schule hatte ich eine naturwissenschaftliche Ausrichtung. Der Wunsch, Menschenkontakt auch beruflich zu haben und Menschen zu helfen, aber irgendwo auch der technische Aspekt, die Medizin zu lernen und voranbringen zu können, hat zu dem Entschluss geführt, in Düsseldorf Medizin zu studieren.

Warum haben Sie sich für die Fachrichtung Kardiologie, also Herz-Kreislauf-Erkrankungen, entschieden?

Haude Das hat etwas mit meinem Studiengang in Düsseldorf zu tun. Insbesondere die Ausbildung in der Kardiologie ist in der Uniklinik Düsseldorf exzellent gewesen. Das hat mir den Weg geebnet, auch meine Promotionsarbeit in dem Fachgebiet zu schreiben.

Gab es irgendwann einen Zeitpunkt, an dem Sie gedacht haben, ob das das Richtige ist?

Haude Die Frage gab es, aber die Antwort war immer: Ja, es ist das Richtige.

Sie sind 2006 Chefarzt der Kardiologie am Lukaskrankenhaus geworden. Warum Neuss?

Haude Für mich war in Neuss die Attraktion, die Klinik noch weiter voran zu bringen. Ich hatte den klaren Auftrag, eine moderne, in die Zukunft gerichtete Kardiologie aufzubauen. Und zum anderen war damit auch die Möglichkeit gegeben, in einem akademischen Lehrkrankenhaus wirken zu können.

Was muss man sich bei Ihnen unter einer in die Zukunft gerichteten Kardiologie vorstellen? Was hat sich seit 2006 bewegt?

Haude Als ich die Klinik übernommen habe, war sie kardiologisch auf einem guten Versorgungsstandard. Aber vor allem was innovative, neue Möglichkeiten in der minimal-invasiven Kardiologie anging, war sie es nicht. Und das war der Grund, warum man mich hierher geholt hat. Wir haben die Infarktversorgung im Rhein-Kreis in einer großen Netzwerkaktion auf- und ausgebaut. Die möglichst schnelle Versorgung von Infarktpatienten rettet Leben. Wir sind sehr stolz darauf, im Rhein-Kreis eine optimale Versorgung von Herzinfarktpatienten zu haben. Da haben wir wirklich Vorreiter-Funktion für viele andere Städte und Regionen, viele haben sich das von uns abgeguckt. Die andere Seite ist, dass man neue Therapien voranbringen muss. Das heißt, man muss sich an der Forschung beteiligen, um Zugang zu neuen Techniken zu bekommen. Wir sind Vorreiter, erkrankte Herzklappen nicht am offenen Herzen zu therapieren, sondern durch Kathetertechnik von der Leiste aus. Da haben wir nicht nur regionale, sondern nationale und internationale Expertise erlangt.

Wie ist Ihr Einzugsgebiet? Geht das über den Rhein-Kreis Neuss mit seinen knapp 500.000 Einwohnern hinaus?

Haude Natürlich stehen wir in der Basisversorgung in erster Linie dem Rhein-Kreis und seinen Einwohnern zur Verfügung. Aber für spezielle Therapien kommen Patienten aus ganz Deutschland zu uns.

Aber Quantität ist nicht alles.

Haude Nein, Qualität ist das allerhöchste Gut für ein Krankenhaus. Wir haben dem Bedarf mit dem Ausbau der Herzkatheterplätze seit 2006 Rechnung getragen. Hinzu kommt unsere sehr hohe Expertise, die wir täglich unter Beweis stellen. Dazu gehört auch die tägliche selbstkritische Überprüfung unserer Behandlungsergebnisse im Team und im Vergleich mit anderen renommierten Krankenhäusern.

Die AOK hat vor einigen Tagen in einem Ranking festgestellt, dass 83 Prozent der Patienten das Lukaskrankenhaus weiterempfehlen würden. In dem Report wurde die Qualität der Behandlung aber auch sechs Mal als durchschnittlich und zwei Mal als unterdurchschnittlich bewertet. Das muss Sie doch ärgern?

Haude Es ärgert einen definitiv, weil das Ranking sehr wenig wissenschaftlich basiert ist und kaum der Realität entspricht. Sehr häufig, wenn Krankenhausvergleiche angestellt werden , werden nur einzelne Behandlungsmethoden betrachtet. Ein Beispiel, bei dem von der AOK nur eine einzige kardiologische Prozedur betrachtet wird, ist die elektive Behandlung einer Herzkranzgefäßverengung durch einen Herzkatheter . Da sind wir durchaus, so wie die AOK das definiert hat, unterdurchschnittlich eingestuft worden. Man muss aber berücksichtigen: Wir sind Maximal-Versorger, wir bekommen Patienten, die dringend eine teilweise nach durchgemachter Wiederbelebung notwendige Notfallbehandlung ihrer verengten Herzkranzarterien benötigen. Da ist doch klar, dass wir im Vergleich zu Krankenhäusern, die sehr wenig Notfallversorgungen haben und fast nur geplante und gut vorbereitete Eingriffe durchführen, schlechter abschneiden müssen. Wir haben heftig mit der AOK darüber diskutiert, und wir haben Hoffnung, dass die AOK diese Bewertungskriterien künftig ändert, um zu einer realistischeren Beurteilung zu kommen.

Haben Sie eine Erklärung, warum ein Ranking über die Leistung von Krankenhäusern und Ärzten auf diese Weise zustande kommt?

Haude Die Krankenkassen sind unter Druck, diese Leistungen zu erfassen und ihren Versicherten zu benennen. Hierzu bedarf es aber Daten, die Qualität abbilden. Solche Daten, die wissenschaftlich belastbar sind, liegen den Krankenkassen bei ihren Routinedaten aber nur begrenzt vor. Deshalb schneiden Maximal-Versorger wie das Lukaskrankenhaus mit ihrem komplexen Patientenklientel in der Bewertung immer schlechter ab.

Wie kann es denn sein, dass eine Krankenkasse eine Bewertung vornimmt und gleichzeitig mit den Krankenhäusern über die Honorierung verhandelt?

Haude Ich glaube, dass dies nicht zielführend ist. Entscheidend ist die Begründung der Frage: Warum ist man gut oder warum ist man schlecht? Bei den politischen Entwicklungen, die es im Moment gibt, dass künftig Krankenkassen ihre Qualitätsbewertungen alle zusammen abgeben müssen, war es hoffentlich in diesem Jahr das letzte Mal, dass es diese Bewertung gibt. Eine Bewertung über die Qualität können nur alle Krankenkassen zusammen abgeben nach vordefinierten Kriterien, in die die fachliche Kompetenz der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaft eingeflossen ist. Auch sollte im Verlauf diese Beurteilung kontinuierlich durch die medizinischen Fachgesellschaften begleitet werden.

Sie selbst sind sehr aktiv als Wissenschaftler, der viel publiziert.

Haude Nur wenn Sie wissenschaftliche Expertise haben, werden Sie wahrgenommen. Es ist eben ganz wichtig, dass man genau im Auge behält, wie die Dinge sich entwickeln, und zwar nicht nur im eigenen Haus, sondern auch woanders. Man darf nicht in seinen eigenen Strukturen verhaftet bleiben. Das ist ganz wichtig, und das zahlt sich aus. Ich habe keinerlei Anspruch, die gesamte Kardiologie mit all ihren innovativen Techniken selbst aktiv abbilden zu können. Das Fachgebiet ist mittlerweile so spezialisiert, dass einer alleine das gar nicht mehr alles vorhalten kann. Man braucht eine teamfähige Mannschaft mit Spezialisten, die in ihren Bereichen top sind und sich weiter entwickeln. Ein solches Team haben wir hier, darauf bin ich sehr stolz.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ist Neusser. Merken Sie diese Nähe?

Haude Ja, er hat immer ein offenes Ohr, man kann ihn immer kontaktieren, und er reagiert unglaublich schnell. Er ist sehr nah an der medizinischen Realität. Er sieht hier im Rhein-Kreis, wie Medizin umgesetzt wird und was verbesserungsfähig ist.

In der Gesundheitspolitik ist es in der Großen Koalition vergleichsweise ruhig.

Haude Ich weiß nicht, ob es wirklich so ruhig ist. Im Moment kann man jedenfalls mit der Gesundheitspolitik zufrieden sein.

Die Krankenhauslandschaft wird sich in den nächsten Jahren verändern. Es werden Betten gestrichen.

Haude Es ist nun einmal Fakt, dass wir in Deutschland zu viele Krankenhausbetten haben, nicht unbedingt im Rhein-Kreis Neuss. Wir haben vier Krankenhäuser für eine halbe Million Menschen. Im Ruhrgebiet gibt es hingegen ein massives Überangebot. Trotzdem soll auch im Rhein-Kreis Neuss reduziert werden. Wir sind gut beraten, unter den Krankenhäusern im Kreis so gut wie möglich zusammen zu arbeiten, damit wir nicht in ein Unterversorgungsszenario laufen.

Sie stehen auch im Wettbewerb mit Klinikketten wie Helios. Was ist daran so schlimm?

Haude In Ketten gibt es klare hierarchische Strukturen mit Portalkliniken und Endversorgungskliniken, die teilweise aber regional und überregional getrennt sind. Wir dagegen stehen für eine hochqualitative medizinische Versorgung vor Ort.

Wie könnten mögliche Kooperationen mit anderen Krankenhäusern im Rhein-Kreis aussehen?

Nicolas Krämer Kooperation heißt ja nicht gleich Fusion. Man muss nicht gleich heiraten, eine gute Partnerschaftreicht vollkommen aus. Mit den Rhein-Kreis-Neuss-Kliniken unterhalten wir sehr erfolgreiche Kooperationen: Wir bilden gemeinsam Pflegekräfte aus. Wir haben in der Pathologie eine erfolgreiche Kooperation und beschäftigen mit Herrn Dr. Müller-Chorus einen sehr guten Labormediziner, der gleichermaßen für die Standorte Dormagen, Grevenbroich und Neuss zuständig ist. Das funktioniert ganz hervorragend.

Reicht das?

Krämer Das bleibt abzuwarten. Aktuell kann man davon ausgehen, dass viele weitere Krankenhäuser sterben werden. Nordrhein-Westfalen und die Niederlande haben beide etwa 17 Millionen Einwohner. In NRW gibt es 400 Krankenhäuser, in den Niederlanden 150. So viel zum Thema Überkapazität. Bundesminister Hermann Gröhe fordert zu recht explizit die Spezialisierung. Nicht jedes Krankenhaus muss im Sinne einer Bauchladen-Philosophie jedes medizinische Fachgebiet anbieten, sondern sich spezialisieren und in anderen Bereichen mit anderen Krankenhäusern kooperieren. Da sehe ich mit den Kreiskrankenhäusern Dormagen und Grevenbroich, aber auch mit dem Johanna-Etienne-Krankenhaus gute Möglichkeiten.

Seit 1987 hat das Lukaskrankenhaus mehr als 200 Millionen Euro in die Modernisierung investiert. Welche Baustellen gibt es noch?

Krämer Als gelernter Stahlbetonbaue weiß ich: Krankenhausmanagement hat viel mit Bauen zu tun. Nur Krankenhäuser, die investieren, sind zukunftsfähig. Ein riesiger Vorteil ist, dass das Lukas anders als viele andere Kliniken in NRW keinen massiven Instandhaltungsstau hat, weil stets sinnvoll investiert wurde. Eine Maßnahme, die wir konkret vor der Brust haben, ist die Geriatrie, also eine Fachabteilung für Altersmedizin. Die halten wir seit April in einem relativ kleinen Umfang vor. Wir wollen in einem Neubau eine geriatrische Fachabteilung mit 30 Betten errichten, um der älter werdenden Bevölkerung im Rhein-Kreis eine Anlaufstelle zu bieten.

Sie sind mit 1.500 Mitarbeitern, über 100.000 Patienten ambulant und stationär und mehr als 110 Millionen Euro Umsatz in der Stadt auch ein großer Wirtschaftsfaktor. Wird das auch so wahrgenommen?

Krämer Krankenhäuser sind wirtschaftlich zu betreiben, und das ist auch nicht zu verteufeln. Wirtschaftlichkeit ist aber nicht das übergeordnete Ziel für uns, sondern Mittel zum Zweck, um optimale medizinische Qualität anbieten zu können. Am Ende des Jahres müssen wir keine zweistelligen Renditeerwartungen erfüllen, sondern nur eine Handbreit mehr Einnahmen als Ausgaben unterm Kiel haben, wie ich als Hamburger Jung zu sagen pflege, um auch für die Zukunft investitionsfähig zu sein. Ein Arbeitsplatz im Lukaskrankenhaus ist deswegen ein sicherer Arbeitsplatz, weil wir unsere Wirtschaftlichkeit Jahr für Jahr unter Beweis stellen.

Wie wird zwischen Wirtschaftlichkeit und Medizin um den richtigen Weg gerungen? Gibt es da Auseinandersetzungen?

Haude Nein, man kann vernünftige und sehr gute Medizin auch wertschöpfend betreiben. Sicher gibt es strategische Entscheidungen, die am Anfang etwas Geld kosten, die sich im Nachhinein aber auszahlen.

Krämer Wirtschaftlichkeit und medizinische Qualität stellen keinen Widerspruch dar. Die eine bedingt die andere. Ein moderner Chefarzt muss auch ein Klinikmanager sein. Und das sind unsere zehn Chefärzte. Die Zusammenarbeit ist sehr erfolgreich und macht extrem viel Spaß.

Andreas Gruhn fasste den Talk auf dem Blauen NGZ-Sofa von Redaktionsleiter Ludger Baten zusammen.

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