Analyse Ley gibt CDU-interner Opposition ein Gesicht

Neuss · Parteichef Jörg Geerlings fordert Vorsitz und Landtagskandidatur für sich. Seine Kritiker waren ohne Strategie und Anführer. Bis jetzt.

Noch nie, seitdem Jörg Geerlings (43) vor zehn Jahren den Vorsitz der Neusser CDU übernahm, musste der promovierte Jurist so sehr um seinen Führungsanspruch kämpfen. Dass er trotz derber Niederlagen bei den Wahlen zum Landtag (2012), zum Stadtrat (2014) und um das Bürgermeisteramt (2015) immer noch Favorit auf Parteivorsitz und Landtagskandidatur ist, verdankt der Neusser CDU-Chef neben seinem rekordverdächtigen Beharrungsvermögen vor allem zwei Faktoren: seiner - zu einem guten Teil von ihm rekrutierten - jungen Hausmacht in Partei und Vorstand sowie der zersplitterten CDU-internen Opposition, die ohne Strategie und Anführer ziellos schwadroniert. Der Einzige, der mutig Geerlings entgegentritt, ist der scheinbar unverwüstliche Heinz Sahnen. Er wird alle Geerlings-Gegner aber nicht hinter sich vereinen können. Dazu ist er mit 68 Jahren zu alt. Außerdem begleitet ihn der Vorwurf, dass er sich lediglich an Geerlings rächen will, weil der ihm 2010 das Landtagsmandat abjagte.

Doch seit der Nacht zum Freitag ist der beinharte Machtkampf in der Neusser CDU um eine Variante reicher. Mit Sebastian Ley (30) betritt ein neuer Mitspieler die Bühne. Ob er schon der "Weiße Ritter" ist, der den "Großen Vorsitzenden" stürzen kann, darf bezweifelt werden. Aber allein seine beherzte CDU-interne Bewerbung für die Landtagskandidatur, die Geerlings für sich beansprucht, bringt das labile Machtgefüge ins Wanken. Mit Sebastian Ley hat die Opposition urplötzlich ein unverbrauchtes Gesicht. Der junge Mann wagt, was Altvordere wie Dieter W. Welsink, Cornel Hüsch, Jutta Stüsgen, Andreas Hamacher oder Sebastian Rosen bisher nicht wagten: Er fordert als Gegenkandidat die "Nummer 1" der Partei heraus.

Aber warum kann der vergleichsweise unbekannte Ley, der von 2012 bis 2014 Vorsitzender der Jungen Union war, dem ausgebufften Politprofi Geerlings gefährlich werden? Erstens Alle an der Basis, die sich von der Geerlings-CDU nicht mehr vertreten fühlen, finden nun die sehnlichst erwartete Alternative vor. Außerdem wird Leys mutiger Schritt anderen Vorbild sein, sich mit ihm und in einer geeinten Opposition zu solidarisieren. Mit Ley kann aus Geerlings-kritischem Gequatsche in selbsternannten Machtzirkeln noch eine dynamische Initiative werden. Zweitens Bisher galt Sebastian Ley als Zögling aus Geerlings' Fanclub. Wenn er nun seinem Ziehvater die Gefolgschaft aufkündigt, stellt sich sofort die Frage: Ist Ley ein Einzelfall oder beginnt sich die junge Garde um Ley und den talentierten JU-Vorsitzenden Simeon Breuer vom mächtigen CDU-Chef zu emanzipieren? Ist das der Anfang vom Ende der geerling'schen Hausmacht?

Sebastian Ley macht Geerlings die angestrebte Landtagskandidatur streitig; verzichtet aber bewusst auf einen Angriff bei der Wahl zum Parteivorsitz. Ist er feige? Ist er klug? Es ist Zuspitzung der Machtfrage. Verzichten alle Widersacher auf eine Gegenkandidatur, so dass Geerlings am 9. Dezember allein als Bewerber für den Parteivorsitz antritt, dann ist das mehr als eine bloße Wahl; dann zwingen ihn seine Gegenspieler in die Vertrauensfrage. Die Vorsitzendenwahl würde für Geerlings zum Spiel um Alles oder Nichts - aus Niederlagen auferstandener Alleinherrscher mit Option für Landtag- und Bürgermeister-Kandidatur oder Eingang in die Parteichronik als "Ewiges Talent". Taktieren war gestern. Die Entscheidung in offener Feldschlacht naht.

(-lue)
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