Neuss Kreativität als Schlüssel zur Inklusion

Neuss · Bei der Gemeinnützigen Werkstätten Neuss werden 120 Mitarbeiter mit geistigen, psychischen oder körperlichen Behinderungen in unterschiedlichsten Fachbereichen in die Arbeitswelt integriert - dabei geht es auch kunstvoll zu.

 Im Kreativkursus werden Mitarbeiter gefördert. Es geht nicht nur ums Basteln, sondern vor allem darum, Konzentration, Ausdauer, Feinmotorik und weitere Fähigkeiten gezielt zu schulen.

Im Kreativkursus werden Mitarbeiter gefördert. Es geht nicht nur ums Basteln, sondern vor allem darum, Konzentration, Ausdauer, Feinmotorik und weitere Fähigkeiten gezielt zu schulen.

Foto: woi, GWN

Auf den ersten Blick könnte es eine beliebige Bastelgruppe sein, die sich in ihrer Freizeit trifft. Doch die fünf Frauen, die unter Anleitung von Marianne Brenner, Gruppenleiterin für den Fachbereich Hauswirtschaft, in den Räumen der Gemeinnützigen Werkstätten Neuss (GWN) voller Konzentration stempeln, nähen und basteln, gehören zu den insgesamt 120 Mitarbeitern mit wesentlichen geistigen, psychischen oder körperlichen Behinderungen. Auf dem normalen Arbeitsmarkt hätten sie keine Chance. Bei der GWN werden sie in unterschiedlichsten Fachbereichen in die Arbeitswelt integriert und erhalten zudem persönliche Förderung. So können sie bestimmte Fähigkeiten zusätzlich erlernen oder verbessern. Arbeitsbegleitende Förderung, kurz ABF, lautet der Fachterminus für diese Maßnahmen.

Die Kreativwerkstatt, die jeweils donnerstagnachmittags anderthalb Stunden lang von Brenner geleitet wird, ist ein Kurs unter zahlreichen anderen Angeboten zur Persönlichkeitsförderung. "Wir bieten Sportkurse, therapeutische Angebote mit Hunden und Pferden, aber auch Alphabetisierungskurse, in denen Schreiben und Rechnen gelehrt wird", sagt Vanessa Billen vom Sozialdienst der GWN.

Neuss: Kreativität als Schlüssel zur Inklusion
Foto: GWN

Wer welchen Kursus besucht, wird jedes Jahr neu bestimmt. Die Sozialarbeiterin vereinbart gemeinsam mit den jeweiligen Gruppenleitern und jedem einzelnen Mitarbeiter die entsprechenden Rehabilitationsmaßnahmen für den Zeitraum eines Jahres. "Wie in der freien Wirtschaft die Zielvereinbarungsgespräche", erklärt Billen. Je nach Stärken und Schwächen werden passgenaue Kurse für jeden einzelnen Mitarbeiter als Reha-Planung ausgewählt. "Sicher, basteln macht auch Spaß", so Billen. "Aber vorrangig geht es darum, Fähigkeiten wie Konzentration, Ausdauer, Feinmotorik, Kritikfähigkeit oder Zuverlässigkeit zu schulen." Mit Engelsgeduld erklärt Marianne Brenner den Kursteilnehmerinnen das neue Projekt, bei dem Tischwäsche in modernem Design entstehen soll.

Bevor es tatsächlich an das Stempeln der Tischdecken geht, für die Bianca und Michaela die Stoffe nähen, wird zunächst auf Papier geübt. Unterschiedlichste Farbtöne und Formen stempeln Tanja, Heike und Käte auf Papier. Die Blätter werden anschließend im Speisesaal verteilt. Die Mitarbeiter sollen dann selbst entscheiden, ob die Muster und Töne zur Einrichtung passen. "Wir legen großen Wert auf Nachhaltigkeit", so Brenner. "Wir wollen ja nicht, dass unsere Produkte unnützer Krempel sind."

Neuss: Kreativität als Schlüssel zur Inklusion
Foto: Woitschützke Andreas

Die resolute Hauswirtschafterin achtet sehr darauf, dass zum einen mit Ressourcen verantwortungsvoll umgegangen wird, zum anderen, dass die GWN bei neuen Trends vorne mit dabei ist. So wie bei den gehäkelten Taschen aus den Stofffetzen alter T-Shirts. "Wir haben die schon vor drei Jahren produziert", sagt Brenner stolz. Ihr Ziel ist es, kreative Trends bereits früh zu erkennen. Dafür besucht sie auch Messen wie die "Creativa" in Dortmund. "Ich schleppe von überall Sachen mit", so die 60-Jährige. Aber nur solche, die wiederverwertet werden können oder deren Funktion kreativ verändert wird. So wie die Ikea-Bilderrahmen, aus denen kleine Schmutzkästen entstehen.

Immer wieder hilft sie den Mitarbeitern, gibt Tipps oder klärt im persönlichen Gespräch, warum sich jemand nicht konzentrieren kann. Als Belastung empfindet Brenner ihre Arbeit nicht. Im Gegenteil: "Jeder Mensch hat seine Macken, ist mal nervig", stimmt Sozialarbeiterin Billen zu. "Aber wir können jeden einzelnen fördern und stärken. Das ist ein Herzensjob."

(BroerB)
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