Neuss Kirchtürme funken freies Internet

Neuss · Die evangelische Kirche Neuss-Süd installiert Freifunk-Router, die ein frei zugängliches W-Lan-Netz aufspannen.

Eine Internet-Verbindung von Kirchturm zu Kirchturm, in die sich alle Menschen darunter kostenlos mit Laptop oder Smartphone einklinken können, ist ein Ziel der Initiative Freifunk. Und der Wunsch könnte schon bald in Erfüllung gehen. Denn in der evangelischen Kirchengemeinde Neuss-Süd steht man diesem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber. In seiner jüngsten Sitzung stimmte das Presbyterium zu, die Kirchtürme der Kreuzkirche (Gnadental), der Friedenskirche (Uedesheim), der Erlöserkiche (Reuschenberg) und der Auferstehungskirche (Weckhoven) mit Freifunk-Routern auszustatten. An der Kreuzkirche ist die Anlage bereits installiert, der Kirchturm sendet freies W-Lan. "So schnell es geht, wird die Telekom die notwendigen Internet-Anschlüsse auch in den anderen Kirchen legen", sagt Pfarrer Sebastian Appelfeller. "Menschen müssen die Möglichkeit haben zu kommunizieren. Wer sich einen eigenen Internetanschluss finanziell nicht leisten kann, muss trotzdem die Möglichkeit zur Teilhabe haben." Und nicht nur das: "Wir wollen auch in unseren Gemeindehäusern ,Freifunk' einrichten."

Bei Freifunk handelt es sich um einen Verein, der vielerorts an einem freien W-Lan-Netz arbeitet, für das Privatleute, Vereine oder Geschäfte Internet-Bandbreite sozusagen spenden. An etwa 50 Orten in Neuss sind bereits Freifunk-Zugangspunkte, so genannte Router, aufgestellt worden. "Kirchtürme sind für uns besonders interessant, weil von ihnen aus weit gesendet werden kann und die Funkwellen kaum gestört werden", sagt Lukas Lamla, Landtagsabgeordneter der Piraten. Er engagiert sich seit 2008 bei den Freifunkern. "Die Geräte sind so klein und können farblich gestaltet werden, so dass man sie von unten gar nicht sieht."

Auch in der Christuskirchengemeinde gibt es Interesse daran, Router an Kirchturm und in Gemeindezentrum zu platzieren. "Wir sind zurzeit in der Prüfphase", berichtet Pfarrerin Kathrin Jabs-Wohlgemut. "Der Wunsch wurde von Konfirmanden und anderen Jugendlichen an uns herangetragen. Eine unserer Jugendleiterinnen ist Medienpädagogin, die das Freifunknetz mit betreuen könnte."

Sorgen, dass die Jugendlichen ihr im Gottesdienst nicht mehr zuhören, weil sie lieber per Handy im Internet surfen, hat die Pfarrerin nicht. "Ich traue unseren Konfirmanden zu, dass sie das Telefon im Gottesdienst ausmachen", sagt sie. "Je mehr Verbote wir machen, desto reizvoller wird es ja. Und ich muss eben so gut predigen, dass erst keiner auf die Idee kommt, währenddessen eine WhatsApp-Nachricht zu schreiben oder in Facebook zu schauen." Pfarrer Appelfeller findet es gerade reizvoll, dass sich so neue Medien und die Kirche begegnen.

Die Gemeinde will die Freifunker dabei unterstützen, auch Flüchtlings-Unterkünfte mit kostenlosem Internet auszustatten. Laut Lukas Lamla liegt die Genehmigung für die Zentrale Unterbringungseinrichtung im ehemaligen Alexianer-Krankenhaus vor: "Die Bezirksregierung Arnsberg und der Betreiber, European Homecare, sind einverstanden. Es muss nur noch ein IT-Dienstleister die Voraussetzungen schaffen."

Dies dauert Bürgermeister Reiner Breuer, der bereits das SPD-Büro in Neuss mit einem Freifunk-Router ausgestattet hat, zu lang. "Seit anderthalb Jahren soll es im früheren ,Alex' Freifunk geben", kritisiert er. "In den städtischen Flüchtlingsheimen wollen wir unkomplizierte und unbürokratische Wege finden, damit es dort schneller klappt." Er stehe den Freifunkern für Gespräche bereit.

(sug)
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