Neuss Jazz geht auch mit dem Akkordeon

Neuss · Bei "Blue in Green" in der Alten Post zeigte ein Trio, das es musikalisch auch Quartett sein kann.

Es war ein besonderes Konzert, das jetzt in der Jazzreihe "Blue in Green" in der Alten Post zu erleben war. Denn das Trio, das Philipp van Endert eingeladen hatte, ist eigentlich ein Quartett. Und tatsächlich, wenn man die Augen schloss, hörte man vier Instrumente: Akkordeon, Klavier, Kontrabass und Schlagzeug - dabei waren auf der Bühne nur drei Musiker. Wie ist das möglich? Ganz einfach: Tastenmann Jörg Siebenhaar spielt Akkordeon und Klavier zur selben Zeit.

Doch nein, einfach ist das keineswegs. Zwar sieht man immer wieder Pianisten, die Flügel und Keyboard miteinander kombinieren, aber mit der rechten Hand die Klaviatur des Akkordeons zu bedienen und mit der linken auf dem Flügel zu spielen, das ist außergewöhnlich. Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Linke, während sie über die Tastatur des Flügels gleitet, zugleich den Balg des Akkordeons führen muss. Für Jörg Siebenhaar allerdings ist das kein Problem. Vom Orgelspiel, das er bereits als Kind erlernte, ist er daran gewöhnt, mehrere Manuale souverän im Griff zu haben.

Die verschiedenen Klangfarben von Akkordeon und Piano eröffnen dem Trio Accordion Affairs, zu dem neben Siebenhaar der Schlagzeuger Peter Baumgärtner und der Neusser Bassist Konstantin Wienstroer gehören, ein breitgefächertes musikalisches Spektrum. So gelang es, die Charakteristika der verschiedensten Musikstile herauszuarbeiten und das Publikum mitzunehmen auf eine abwechslungsreiche musikalische Reise um die Welt.

"Vas-y", der französische Titel einer mitreißenden Eigenkomposition, der auf Deutsch so viel bedeutet wie "Auf geht's" und den Siebenhaar in seiner launigen Ansage mit "Lott jonn" ins Rheinische übersetzte, war durchaus wörtlich zu nehmen. So ging es von Argentinien mit dem Tango "Nada" über die USA mit Miles Davis' Jazz-Waltz "Teo" und Frankreich mit Richard Gallianos New-Musette-Stück "Laurita" bis in die Türkei mit dem traditionellen Hochzeitslied "Koca Kavak". Letzteres gewann durch ein verlangsamtes Tempo und Unisonolinien von Kontrabass-Bogenspiel und Akkordeon eine neue Subtilität.

Das Vorurteil vom "Anti-Jazz-Instrument" hatte bereits Richard Galliano aus der Welt geschafft, als er sagte: "Das Akkordeon hat, wie alle anderen Instrumente, keine Limitationen. Die Instrumentalisten sind es, die Grenzen setzen." Oder wie sein Landsmann, der junge Akkordeonist Vincent Peirani es formuliert: "Es gibt kein Problem mit Instrumenten. Die Musiker müssen sich verstehen." Das war gleich beim ersten Titel klar: Die Mitglieder von Accordion Affairs verstehen sich prächtig. That's Jazz!

(NGZ)
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