Neuss Ikonen als Fenster in eine geistige Welt

Neuss · Um die spirituelle Bedeutung von Ikonen geht es in der Ausstellung "Sostojana" in der Alten Post. Zu sehen sind Fotografien von Andrej Kokscharow aus dem russischen Pskow und Malerei von Dimitrij Kozakov.

 Abstrakt und emotionslos: So sollen die Werke von Maler Dimitrij Kozakov den Einblick in die geistige Welt ermöglichen. Zu sehen sind sie gemeinsam mit den Fotografien von Andrej Kokscharow ab dem 4. Februar im Kulturforum Alte Post

Abstrakt und emotionslos: So sollen die Werke von Maler Dimitrij Kozakov den Einblick in die geistige Welt ermöglichen. Zu sehen sind sie gemeinsam mit den Fotografien von Andrej Kokscharow ab dem 4. Februar im Kulturforum Alte Post

Foto: Andreas Woitschützke

Tief ins Gesicht gezogen hat die unbekannte Person die dunkle, regennasse Kapuze. Ihr Gesicht verdeckt sie mit ihren fast zu Fäusten geballten Händen, die mit Daumen und Zeigefingern eine kleine Ikone umfassen. Ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, lässt sich auf dem Foto kaum erkennen. Aufgenommen hat es der Pskower Fotograf Andrej Kokscharow und zu sehen ist das Foto in der Ausstellung "Sostojana", die am 4. Februar im Kulturforum Alte Post in Neuss eröffnet.

Ein zweites Foto zeigt mehrere Frauen, die ebenfalls Ikonen in den Händen halten. Fast starr blicken sie an dem Fotografen vorbei, emotionslos und eingetaucht in eine andere Welt voller Spiritualität. "Die Spiritualität ist in der orthodoxen Kirche deutlich ausgeprägter als bei uns. Die Gotteserfahrung erfolgt unmittelbar über das Bild auf der Ikone, und nicht über das Wort", erläutert Kurator Klaus Richter. Er hat die Fotoarbeiten Andrej Kokscharows über den Fotoclub der Stadtsparkasse Neuss kennengelernt und ihn eingeladen, seine Fotografien zum religiösen Leben in Pskow im Kulturforum auszustellen.

Andrej Kokscharow, der als Fotograf am Pskower Puschkin-Theater arbeitet, wird zur Ausstellungseröffnung nach Neuss reisen. Die kleine Schau in der Alten Post profitiert ganz besonders davon, dass Klaus Richter die Fotos mit Werken des 1987 in der Ukraine geborenen und in Düsseldorf lebenden Malers Dimitrij Kozakov kombiniert. Der Künstler hat sich intensiv mit der Bedeutung von Ikonen auseinandergesetzt, die er als ein Instrument zur Meditation beschreibt: "Die Ikone bildet ein geistiges Wesen ab, und wer eine Ikone besitzt, kann unmittelbar mit dem geistigen Wesen Kontakt aufnehmen." Dabei spiele es keine Rolle, wie groß oder kostbar die Ikone sei.

Seine eigenen abstrakten Gemälde sieht Dimitrij Kozakov, der an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat, als eine Weiterentwicklung der byzantinisch-russischen Bildtradition an. Um seine Werke zu erklären, spannt er einen weiten Bogen von Giotto bis hin zum russischen Maler Kasimir Malewitsch, der mit seinem radikal reduzierten "schwarzen Quadrat auf weißem Grund" die Farbe, Form und die Struktur auf Null reduzierte. Malewitsch' schwarzes Quadrat sei eine Wand mit geschlossener Tür, sagt Dimitrij Kozakov. Seine eigenen Gemälde hingegen bezeichnet er "als ein Fenster in die geistige Welt oder zu einem geistigen Zustand." Sie seien ebenfalls Ikonen, "denn sie haben eine Durchlässigkeit und Transzendenz, durch die man in eine andere Welt gucken kann." Seine überwiegend in Blautönen gehaltenen Gemälde hat er mit schwarzen Linien eingefasst, die sie gleichsam rahmen, sie von der Wand abheben und ihre Materialität verlieren lassen. Abstrakt und emotionslos seien seine Werke, betont er, weil es schlicht unmöglich sei zu meditieren, solange Emotionen im Spiel sind. Auf den ungewöhnlichen Ausstellungstitel angesprochen, erklärt Dimitrij Kozakov, dass er das Wort erfunden habe und es so viel wie "Bewusstseins-Zustands-Schreiberei" bedeute. Ikonen werden geschrieben und nicht gemalt.

Es ist eine Ausstellung mit Tiefgang, die Klaus Richter zusammengetragen hat. Damit erhofft er sichdem kulturellen Austausch zwischen Neuss und Pskow weiteren Schwung zu verleihen. Zur Eröffnung am 4. Februar um 11.30 Uhr spricht die Kunsthistorikerin Iris Poßegger. Die Ausstellung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Fotoclub der Stadtsparkasse Neuss.

(NGZ)
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