Gerd Ruge "Helmut Schmidt wusste genau, was zu tun war"

Neuss · Der langjährige ARD-Korrespondent spricht am Donnerstag beim "Dialog Zukunft" über die aktuelle Weltpolitik und sein neuestes Buch.

 Ist am Donnerstag zu Gast in Kaarst: Gerd Ruge.

Ist am Donnerstag zu Gast in Kaarst: Gerd Ruge.

Foto: Andreas Endermann

Kaarst "Der Rote Platz wird einem ohne ihn leer vorkommen", schrieb die taz, als der langjährige ARD-Korrespondent Gerd Ruge 1993 in den Ruhestand ging. Er war es, der bei vielen die Sicht auf Russland, China und die USA prägte. Der 87-Jährige wird am Donnerstag, 26. November, ab 20 Uhr in der Kaarster Rathausgalerie über die aktuelle Weltpolitik und sein Buch "Unterwegs. Politische Erinnerungen" erzählen.

Herr Ruge, was war Ihr letzter TV-Dreh?

Ruge Vor ein paar Jahren drehte ich eine große dreiteilige Sendung für die ARD. Ich war 100 Kilometer um Moskau unterwegs und habe viele große und kleine, wichtige und unwichtige Menschen wiedergetroffen, mit denen ich früher zu tun hatte.

Sie sind vielen großen Politikern begegnet. Hat einer Sie ganz besonders beeindruckt?

Ruge Ich würde nicht einen Einzelnen besonders hervorheben wollen. Aber es gab Personen wie Willy Brandt und Michail Gorbatschow, die enorm wichtig waren. Sie waren Menschen, die sehr nachdenklich - und nicht nur politisch - ans Leben herangingen und neue Wege suchten. Das hat mich sehr beeindruckt.

Sind Sie auch Helmut Schmidt begegnet?

Ruge Ich kannte ihn aus meiner Zeit als Bonner Bürochef der ARD. Schmidt wusste genau, was zu tun war. Aber er war zu dieser Zeit auch sehr hart, sehr scharf und ein wenig von oben herab in der Art, wie er Forderungen stellte und mit Leuten sprach. In seinen früheren Jahren war der Umgang für uns Journalisten mit ihm nicht ganz einfach. Ein Beispiel aus meiner Zeit in Peking: Eine Delegation von Journalisten wartete auf Schmidt, der dann kam und sagte: "Überall, wohin man kommt, die gleichen, dummen Gesichter." Mein Kollege Ernst-Dieter Lueg reagierte dann spontan: "Das gilt gegenseitig, Herr Bundeskanzler."

Manche Ihrer Kollegen, die heute als Korrespondenten aus Russland berichten, werden aufgrund der Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine stark angegriffen.

Woran liegt es, dass dieses Thema derart heftige Reaktionen auslöst?

Ruge Leider gibt es viel allgemeine Stimmungsmache und wenig genaue Überlegung. Das hängt auch mit der veränderten journalistischen Umwelt zusammen. Es gibt so viele technische Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, die nicht ganz ungefährlich sind.

Sind Sie insofern froh, dass Sie heute nicht mehr aktiv als TV-Korrespondent arbeiten?

Ruge Ach ne, daran würde ich mich auch gewöhnen. Wir hatten damals nur ganz andere technische Gegebenheiten. Als ich von Moskau aus durchgeben wollte, was der Bundeskanzler Adenauer dort von sich gegeben hatte, mussten wir durch die halbe Stadt zu einer Telefonstelle für Ausländer fahren.

War diese Beschwerlichkeit auch manchmal von Vorteil?

Ruge In der Tat. Außenminister von Brentano kam völlig verärgert aus den Gesprächen und rief, dass die Verhandlungen abgebrochen seien. Heute würde das sofort per Smartphone in der Welt veröffentlicht. Zum Glück damals nicht. Denn Adenauer wollte die Verhandlungen nicht wirklich abbrechen. Im Gegenteil: Er kehrte triumphierend nach Deutschland zurück, da er die Freilassung der letzten Kriegsgefangenen erwirkt hatte.

(bab)
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