Neuss Helfer für helfende Angehörige

Neuss · Wer einen an Demenz erkrankten Angehörigen pflegt, braucht oft Unterstützung. Das bietet die Diakonie mit dem Programm "Auszeit".

Ehrenamtlerin Irmela Otto (re.) hat Inge Vilmer bei der Betreuung ihres Mannes unterstützt. Melanie Buss (Mitte) leitet den sozialen Dienst.

Ehrenamtlerin Irmela Otto (re.) hat Inge Vilmer bei der Betreuung ihres Mannes unterstützt. Melanie Buss (Mitte) leitet den sozialen Dienst.

Foto: woi

Inge Vilmer hat zehn Jahre lang ihren Mann gepflegt. "Werner litt an Demenz, war orientierungslos und konnte sich zum Schluss nicht einmal mehr selbst waschen", erzählt die 83-Jährige.

Begonnen hatte es harmlos. Werner Vilmer wurde vergesslich. Aber als er den Weg vom Einkaufen nach Hause nicht mehr fand, schrillten bei seiner Frau die Alarmglocken. "Ich musste wegen eines verletzten Nervs zum Neurologen und meldete Werner einfach mit an", erinnert sie sich. Die Diagnose: Demenz. Ihr Mann bekam Medikamente, lebte zehn Jahre mit der Krankheit. "Eine Seltenheit, hat mir der Arzt bestätigt. Die meisten Patienten haben nach der Diagnose eine Lebenserwartung von maximal fünf Jahren", sagt Inge Vilmer.

Die Krankheit veränderte nicht nur ihren Mann. Auch Inge Vilmers Leben wurde auf den Kopf gestellt. "Ich war rund um die Uhr nur noch für ihn da, sagte ihm, was er anziehen soll und wann es Zeit zum Essen war. Wie bei einem kleinen Kind", erinnert sie sich. Sie ging nicht mehr allein aus dem Haus. Zum Einkaufen, zu Arztterminen und Behördengängen - immer nahm sie ihren Mann mit. "Er war zum Glück nicht bewegungseingeschränkt. Trotzdem war es für ihn und für mich oft eine Belastung", erzählt die Seniorin.

Durch einen Zufall erfuhr sie eines Tages von einem Angebot der Diakonie: Ehrenamtliche bleiben bei den Demenzkranken, während die Angehörigen Besorgungen machen oder sich einfach einen kleinen Freiraum gönnen. "Auszeit" heißt das Diakonie-Programm. "Wer einen an Demenz erkrankten Angehörigen pflegt, gibt sein eigenes Leben oft komplett auf. Alles dreht sich nur noch um den Kranken. Unser Angebot bietet den Pflegenden ein wenig Entlastung", erklärt Melanie Buss, die den sozialen Dienst beim Diakonischen Werk Neuss leitet. In 30-Stunden-Kursen werden die Ehrenamtler auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Bei einer Hospitanz im Pflegeheim sammeln sie praktische Erfahrung. Erst dann gehen sie in die Familien - so wie Irmela Otto.

Die 73-jährige betreut seit zehn Jahren ehrenamtlich für einige Stunden pro Woche Demenzkranke und ihre Familien. "Eine unglaublich erfüllende Tätigkeit. Ich gebe etwas von meiner Zeit und bekomme unendlich viel zurück: Das gute Gefühl etwas sehr sinnvolles zu tun." So war es auch bei Inge Vilmer. "Frau Otto kam zu uns, und sie erschien mir als ein Geschenk des Himmels. Die Chemie zwischen uns stimmte sofort. Sie verstand sich großartig mit meinem Mann. Endlich konnte ich unbesorgt zum Einkaufen gehen, zum Arzt oder zum Frisör. Ich wusste, dass es Werner gut ging", erinnert sie sich. Inzwischen ist ihr Mann gestorben. Doch die beiden Frauen haben immer noch Kontakt, telefonieren miteinander treffen oder treffen sich zu einer Tasse Kaffee. "Wir mögen uns einfach", sagt Irmela Otto.

Der Bedarf für ehrenamtliche Helfer wie sie ist enorm. Die Wartelisten für die Familien sind lang. "Wir suchen dringend weitere Menschen, die sich in der Betreuung von Demenzkranken einsetzen möchten", sagt Melanie Buss.

(NGZ)
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