Neuss Helden in Trainingsanzügen

Neuss · Regisseurin Stephanie van Batum und die Schauspielschüler der Münchner Otto-Falckenberg-Schule verlegen Shakespeares Drama "Troilus und Cressida" in ein Pony Camp. Die Helden sind müde und interessieren sich nur für sich.

 Cressida bei den Griechen ist eher eine Wiedergängerin von Lara Croft: Sie fügt sich nicht, sie bestimmt ihr Schicksal.

Cressida bei den Griechen ist eher eine Wiedergängerin von Lara Croft: Sie fügt sich nicht, sie bestimmt ihr Schicksal.

Foto: Christoph Krey

Der Bass dröhnt durchs Globe, auf der Empore über der Bühne winkt eine prächtig gekleidete junge Frau im Takt, wie es die Queen nicht besser könnte. Ein junger Mann in Anzug und Krawatte steht vor einem Mikro und scheint auf seinen Einsatz zu warten, hinter ihm bewegen sich drei Schatten in einem Zelt rhythmisch zum harten Bass. Bierkästen am Rand, Schießer Feinripp an Wäscheleinen - dieses Heerlager der Griechen vor Troja sieht so gar nicht nach dem von künftigen Helden aus. Das gilt auch für Agamemnon, Odysseus und die anderen, die in Trainingsanzügen rumlaufen.

Spaßtheater, jung, frech - das alles trifft wie kaum etwas anderes auf das zu, was Regisseurin Stephanie van Batum und die Schauspielschüler des dritten Jahrgangs der Münchner Otto-Falckenberg-Schule im Globe zeigen. Shakespeares in Deutschland wenig gespieltes Drama "Troilus und Cressida" ist nur die Folie, wird gar in van Batums Inszenierung fast gänzlich von einer schrillbunten Mischung aus Videos, Tanz, Musik und Spiel zugedeckt.

Wenn das Leben (im Krieg sowieso) kein Ponyhof ist, muss es wenigsten für eine Zeit im "Pony Camp" reichen. Spaß haben, Spiele spielen, die Welt außen vor lassen - das zelebrieren die vermeintlichen Helden mit erotisch-akrobatischen Tänzen und derben Wortduellen. Achilles (Colin Hausberg) vertändelt die Zeit mit seinem Lover Patroklus (William Cooper), Ajax (Bekim Latifi) gibt den Wüterich, solange kein Gegner da ist, Agamemnon (Cyril Manusch) und Odysseus (Louis Nitsche) intrigieren, was das Zeug hält. Warum die Aufführung zweisprachig ist, erschließt sich nur über die Zuordnung: Die Griechen reden in der Regel deutsch, die Trojaner englisch. Muss nicht sein, aber van Batum hat da in erster Linie aus der Not eine Tugend gemacht: Zwei Darstellern fehlt es an Deutschkenntnissen für das Stück.

Mit großer Lust führt die Regisseurin das Pathos der Männer vor, macht aus Helden kleine Würstchen. Kraft und Stärke sind weiblich - sichtbar in der zur Lara Croft mutierten Cressida (Stacyian Jackson).

Die Schauspieler setzen das mit ebenso großer Lust am Spiel um. Cooper als personifizierte Karikatur eines Schwulen, Latifi als tumber Möchtegernheld Ajax, Hausberg als gelangweilter Achilles, Manusch als machtgeiler Agamemnon, Nitsche als bauernschlauer Odysseus, Jackson als spöttische Helena und auch als liebende, wütende und schließlich dominante Verführerin Cressida - jeder gibt seiner Rolle die richtige Farbe. Wobei jeder fast unmerklich auch zum trojanische Pendant wird (Agamemnon/Priamos, Ajax/Hector ...), ohne den Grundcharakter seiner Mann-/Frau-Rolle zu verändern, was den Gender-Fokus der Inszenierung schärft.

Erzähler Tom Afman fällt ein bisschen raus. Kommentiert pointiert als Beobachter - quasi als (antiker) Chor - die komplizierte Schlacht-Geschichte samt Liebesdrama. Und als Troilus auf der Bühne und im Zuschauersessel ist er ein Mitspieler, der mit dem Hin und Her herrlich ironisch umgeht.

(hbm)
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