Neuss Grenzen der Materie lösen sich auf

Neuss · Die in Köln lebende Künstlerin Rita Rohlfing hat für das Clemens-Sels-Museum eine Installation aus Objektkästen, Fotografien und Projektion geschaffen. Und entdeckt dabei "Das Virtuelle im Konkreten".

 Rita Rohlfing vor ihren Fotoarbeiten, die sie hinter Acrylglas auf Alu-Dibond gezogen hat, im Foyer des Clemens-Sels-Museum.

Rita Rohlfing vor ihren Fotoarbeiten, die sie hinter Acrylglas auf Alu-Dibond gezogen hat, im Foyer des Clemens-Sels-Museum.

Foto: Andreas Woitschützke

Mit seiner neuen Ausstellung vermittelt das Clemens-Sels-Museum seinem Besucher eine ganz neue Farberfahrung. Je nachdem, wie er sich den Objekten von Rita Rohlfing nähert, kommt die Farbe zu ihm, entschwindet oder geht sogar ein Stück mit zum nächsten Exponat. Vermeintlich. Wie das geht? Das bleibt wohl das Geheimnis der Künstlerin - und das Schöne daran ist: Man will es eigentlich gar nicht wissen. Viel zu spannend ist es, diese Wirkung immer auszuprobieren. Von rechts, von links darauf zulaufen, daran vorbeigehen, sich nähern und wieder entfernen. Und dann sich zu wundern, wo dieses Pink, dieses Grün oder dieses Lila plötzlich herkommt. War da anfangs nicht nur ein eher farbloser, irgendwie milchig-transparenter Kasten an der Wand?

"Das Virtuelle im Konkreten" ist der Titel der Ausstellung, die das Portfolio des Museums in der Farbmalerei erweitert und gleichzeitig eine wunderbare Weiterentwicklung des Konzepts ist, zeitgenössische Künstler zu bitten, ganz explizit für den Deilmann-Bau am Obertor Kunst zu schaffen. Mit Susanne Stähli und ihrem "Verwandelten Raum" hat es 2010 angefangen, Rita Rohlfing hätte schon vor zwei Jahren folgen sollen.

Aber dann macht die sanierungsbedingte Schließung des Hauses einen Strich durch die Rechnung. Was sich heute fast als Glücksfall erweist, denn nicht nur die Verschiebung gelang, sondern die Künstlerin bestellt seit kurzem mit der Fotografie auch ein neues Feld, so das erstmals überhaupt alle Werkgruppen der NRW-Künstlerin (mit großem Bekanntheitsgrad darüber hinaus) in einer Ausstellung gezeigt werden können. Aber auch mit ihren Fotoarbeiten bleibt sich Rohlfing treu: Sie entdeckt das Besondere im Normalen, schafft mit Kamera und Licht ein wie gemaltes Bild mit Furchen, Kratzern, Schlieren, das alles sein kann - und doch nur ein Stück Boden der Art Cologne ist.

Die in Köln lebende Künstlerin mag es, installativ zu arbeiten, wie sie sagt. Und war somit glücklich mit der Möglichkeit, die ganz spezielle Architektur des Deilmann-Baus gewissermaßen mit ihrer Kunst zu kommentieren. Das Treppenhaus zum Beispiel: "Ein echte Herausforderung", sagt sie lächelnd. Aber sie hat sie gemeistert, indem sie eine passgenaue Projektion für die Betonwucht entwickelte: eine Feuerleiter, die sie schon an einem 20-stöckigen Haus in New York mit ihrer feinen Struktur fasziniert hat. Nun verleiht sie den Betonwänden eine große Leichtigkeit.

Dabei hat sie keinesfalls Stückwerk betrieben, sondern ein Gesamtkonzept für Foyer und Gartensaal entwickelt, das indes vor allem der Maxime unterworfen ist, Vorhandenes zu verändern, indem sie den Blick darauf verändert. Das erreicht sie mit den Objektkästen und Fotografien an den Wänden ebenso wie mit der "Entfremdung" eines großen Gartensaal-Fensters. Der verschwimmende, diffuse Eindruck wird dabei immer durch ein mit Folie bespanntes Acrylglas erreicht. Meisterlich gelingt Rohlfing das mit diesem Fenster, das aus zwei pinkfarbenen, breiten Farbstreifen besteht, die in der Mitte Platz lassen für Licht und Farbe von außen. Oder von innen - je nachdem, von welcher Seite man das Werk mit dem sprechenden Titel "Anscheinend" betrachtet. Nicht nur dabei verschmelzen der reale und der virtuelle Raum auf wunderbare Weise.

(hbm)
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