Neuss Furioser Einstand bei den Tanzwochen

Neuss · Die Dance Company Wales gastiert zum ersten Mal in der Stadthalle mit drei Choreografien, die die Bandbreite dieser exzellenten Compagnie aufzeigt. Es geht um Revolution und Liebe, Schattenwesen tanzen zu stampfenden Beats.

 Die Choreographie "Folk" von Caroline Finn beschloss den Abend. Das furiose Stück vereint verschiedene "Tableaux vivants", die sich an Gemälden des 17. und 18. Jahrhunderts orientieren.

Die Choreographie "Folk" von Caroline Finn beschloss den Abend. Das furiose Stück vereint verschiedene "Tableaux vivants", die sich an Gemälden des 17. und 18. Jahrhunderts orientieren.

Foto: Rhys Cozens

So stellt man sich russischen Volkstanz eigentlich nicht vor. Acht Tänzer vereinen sich zu einem Organismus. Mal in einer Reihe nebeneinander, mal hintereinander weg bilden sie eine Art Tausenfüßler mit vielen Gliedmaßen, wie von einem Gehirn gesteuert. Mal zucken sie asynchron, dann wieder fließen ihre Arme im Gleichklang wie ein DNA-Strang in Bewegung. Dazu wummert eine faszinierende Soundcollage aus mal brachialen Klängen, dann wieder erklingen Fetzen von Chorgesang. An den russischen Volkstanz erinnern nur die bunten Ganzkörper-Strickanzüge. Mit einem furiosen Auftakt begeisterte die Dance Company Wales das Publikum bei den Tanzwochen von Anfang an. Die Compagnie gastierte das erste Mal in Neuss.

"Tundra" nennt sich dieses vereinnahmende Tanzstück von Marcos Morau. Wie das Programmheft verrät, geht es dem spanischen Choreografen darum zu zeigen, dass Revolution "nur als eine Vereinigung von Menschen möglich (ist) und nicht als Ergebnis individueller Bemühungen". Einmal lässt er die Tänzer im Gegenlicht wie Soldaten im Scherenschnitt aufmarschieren, auch dabei geht es um die gesichtslose Masse, nicht um den Einzelnen. Die im Herbst 2017 uraufgeführte Choreografie dreht sich um Körper und ihre Art der Kommunikation als ein Ganzes. Diese Menschenreihe mit ihren mal organischen, mal roboterhaft mechanischen Bewegungen wirkt gleichermaßen erschreckend wie anziehend schön. Auch in dem Prolog zu dem Stück gleiten die Tänzer, Frauen wie Männer in bodenlange Kleider gehüllt, über die Bühne, wahrscheinlich auf Rollschuhen, was man aber nur erahnen kann. Wie Figuren einer Spieluhr drehen sie sich um sich selbst, fremdbestimmt, in sich versunken und irgendwie verloren.

Als Mittelstück stand in der Stadthalle das kurze Stück "They seek to find Happiness they seem" von Lee Johnston auf dem Programm. Es beginnt mit einem zauberhaften Duett zweier Tänzer, hier Angela Boix Duran und Ed Myhill, die sich verliebt im Einklang miteinander drehen. Mal ziehen sie sich gegenseitig an, mal stoßen sie sich ab, wie es eben so geht in einer Beziehung. Dabei zitiert der Choreograf romantische Vorbilder von Tanzduos aus den Filmen der 1930er Jahre. Dann kommt ein Bruch. Nun ist das Paar getrennt, jeder agiert nur noch allein im Kegel eines einsamen Scheinwerferlichts. Die Arme suchend ausgestreckt, finden sie nicht mehr zusammen, ergreifend und traurig schön.

Den Abend beschloss das Stück "Folk" der Compagnie-Chefin Caroline Finn, das bereits vergangenes Jahr bei der internationalen Tanzmesse begeisterte. Das furiose Stück vereint verschiedene "Tableaux vivants", die sich an Gemälden des 17. und 18. Jahrhunderts orientieren, mit dynamischen Soli und Ensembletänzen zu stampfenden Beats, die sofort mitreißen und begeistern.

Die Szenerie ist düster. Wie Untote oder Schattenwesen wirken die neun Tänzer, gekleidet in zusammengewürfelten Kostümen wie von Clochards. Von einem Baum ist nur die weiße Wurzel zu sehen, die vom Bühnenhimmel herunterragt in diese Unterwelt. An die Wurzeln hängt eine Frau einige Laternen. Weiße Blattschnipsel bedecken wie Laub den Boden.

Immer wieder versammeln sich diese Gestalten, ihre Gesten und Gesichtsausdrücke frieren ein, die Münder aufgerissen, die Arme mahnend ausgestreckt.

(NGZ)
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