Neuss Frauen tauschen sich über ihren Glauben aus

Neuss · Die Caritas führt im ehemaligen Pfarrheim von St. Barbara christliche und muslimische Frauen zusammen, die über ihren Glauben sprechen, aber auch über Vorurteile und aktuelle Konflikte.

Es ist Montagabend, kurz vor 19 Uhr. Nach und nach kommen zwölf Frauen ins ehemalige Pfarrheim von St. Barbara an der Dyckhofstraße. Mehr als die Hälfte trägt ein Kopftuch. Die Musliminnen aus Neuss, Kaarst, Grevenbroich und Düsseldorf tauschen sich alle sechs Wochen im interreligiösen Dialog mit katholischen und evangelischen Frauen aus.

"Wir wollen die andere Religion kennen- und wertschätzen lernen", erklärt Houaida Taraji. Die Frauenärztin, die in Neuss wohnt und in Kaarst eine Praxis führt, ist im syrischen Aleppo geboren und engagiert sich unter anderem als Beauftragte für Frauen im Zentralrat der Muslime in Deutschland. "Es ist wichtig, dass man weiß, wie die andere Religion funktioniert", sagt die 49-Jährige.

2008 hat der Fachdienst für Integration und Migration (FiM) der Caritas den Dialog ins Leben gerufen. "Auslöser war ein Vortrag zur Rolle der Frau im Islam - dieses Thema wollten wir vertiefen", erzählt Ingrid Schöneberg, Mitarbeiterin im FiM und zuständig für die Integrationsarbeit im Barbaraviertel.

Die Frauen sind zwischen 20 und 70 Jahre alt; die Musliminnen stammen aus dem Iran, aus Syrien, den Arabischen Emiraten, Marokko und Tunesien. "Für jedes Treffen bereiten wir ein religiöses Thema vor, etwa das Beten in den beiden Religionen oder die Rolle des Propheten Abraham, beziehungsweise Ibrahim", erklärt Katholikin Elena Werner, die der Frauenrunde seit ihrer Gründung angehört. "Oft sprechen wir auch über aktuelle Konflikte, etwa die Charlie-Hebdo-Attentate."

Dabei vertreten die Frauen unterschiedliche Standpunkte. "Ich sage nicht: ,Je suis Charlie', weil ich nicht mit allen religionskritischen Veröffentlichungen dieser Zeitung einverstanden bin", sagt etwa Gisela Schwarzfeller aus Büttgen, die für den internationalen christlichen Frauenverband Aglow arbeitet. Ebenfalls thematisiert werden die Schicksale der muslimischen Frauen. "Wir haben geweint, weil einige Schlimmes erlebt haben. Wenn sich alle Menschen auf Augenhöhe wertschätzten, wären die aktuellen Konflikte nicht notwendig" - davon ist die 68-Jährige überzeugt.

"Bevor ich dem Gesprächskreis beitrat, kam ich mit muslimischen Frauen kaum in Berührung und wusste wenig über ihren Glauben", erzählt Gudrun Brinkmann aus Vorst. Das habe sich grundlegend geändert. "Ich bin angenehm überrascht von der toleranten Umgangsweise miteinander."

"Es gibt unterschiedliche Ansichten, die aber von allen respektiert werden", erklärt Houaida Taraji. "Das zeigt: Ein friedliches Miteinander funktioniert", bemerkt Ingrid Schöneberg. Alle Teilnehmerinnen beschäftigen sich mit ihrem Glauben, kennen die Heilige Schrift. So weiß Hosnia Lamsayah, die in Grevenbroich wohnt und aus Marokko stammt, alles über die Rolle von Marias Familie im Koran. "Eine ganze Sure ist ihr gewidmet", erklärt die 44-jährige Altenpflegerin. Sie hört aber auch genau hin, als ihr Gudrun Brinkmann über Josef in der Bibel erzählt.

Um die interreligiöse Begegnung weiterzutragen, lädt der Dialogkreis ab und an Frauen aus dem Barbaraviertel zu einem religiösen Fest ein. "Vor einigen Jahren haben wir Advent und das islamische Opferfest gefeiert. Dieses Jahr soll es ein Erntedankfest geben", erzählt Elena Werner.

(NGZ)
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