Neuss Flüchtlinge helfen Demenzkranken

Neuss · Als Hamit vor zwei Jahren aus dem Iran nach Deutschland kam, stand er vor dem Nichts. Im Zuge eines Projekts der St.-Augustinus-Kliniken ließ sich der 27-Jährige zum Demenzhelfer ausbilden - und wurde fest übernommen.

 Hamit (hier mit Andrea Kuckert-Wöstheinrich vom St.-Augustinus-Memory-Zentrum) ist glücklich über seine neue Arbeit.

Hamit (hier mit Andrea Kuckert-Wöstheinrich vom St.-Augustinus-Memory-Zentrum) ist glücklich über seine neue Arbeit.

Foto: woitschützke

Im Iran führte Hamit ein gutes Leben. Er hatte einen Job als Altenpfleger, eine eigene kleine Wohnung und verdiente so viel Geld, dass er sich keine großen Sorgen machen musste. Doch Hamit ist Christ. Und Christen haben im Iran einen schweren Stand. "Ich hatte immer wieder Probleme mit der Polizei. Die Regierung akzeptiert keine Christen", sagt der 27-Jährige.

Weil ihm der iranische Staat auf den Fersen war, entschied sich Hamit, dessen Nachname zu seinem Schutz nicht veröffentlicht wird, zur Flucht. Die wichtigsten Dokumente in den Rucksack - und los. Einen Monat dauerte die Reise per Zug, Schiff und Bus, bis er vor zwei Jahren in München ankam.

Es hat sich viel getan seitdem. Wenn Hamit morgens aufwacht, dann schweift sein Blick durch ein 14 Quadratmeter kleines Zimmerchen. Es ist Teil einer Unterkunft im Grevenbroicher Stadtteil Gustorf. Nur eine Handvoll Toiletten und Duschen gibt es dort für ihn und seine knapp 30 "Nachbarn". Ganz schön schwierig sei das Zusammenleben manchmal. Fast schon schmunzelnd berichtet Hamit von abgerissenen Putzplänen und zugemüllten Fluren. Der gemeinsame Nenner ist oft nur der Umstand, dass man im selben Heim wohnt - und die Einsamkeit, die bei vielen vorherrscht.

Trotzdem ist Hamit glücklich. Denn er hat einen Alltag, der ihn erfüllt. Wenn er die elektrische Schiebetür des St.-Augustinus-Memory-Zentrums durchquert, winkt man ihm zu. Dort ist er einfach Hamit. Nicht nur der Flüchtling aus dem Iran. Der 27-Jährige arbeitet an der Steinhausstraße als Alltagsbegleiter für Menschen mit Demenz.

Wie das geklappt hat? Im Herbst 2017 starteten die St.-Augustinus-Kliniken das Projekt "Asylbewerber und Flüchtlinge als Potenzialträger in Deutschland", kurz "Future". Geflüchtete werden dabei zu Alltagsbegleitern für Demenzkranke ausgebildet und unterstützt, an verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen im Gesundheitswesen teilzunehmen. Die ersten elf haben die dreimonatige Qualifizierung jetzt erfolgreich abgeschlossen und werden übernommen. Gestern erhielten sie ihre Zertifikate. Der Startschuss für die zweite "Future"-Generation ist bereits erfolgt.

Im nächsten Schritt möchte Hamit eine Ausbildung in der Einrichtung machen - und hat von den Verantwortlichen bereits grünes Licht erhalten. Kann es also losgehen? Nicht im Bürokratie- und Behörden-Dschungel Deutschland. "Es gibt viele Hürden. Bei Hamit warten wir auf die Anerkennung seines Schulabschlusses", sagt Andrea Kuckert-Wöstheinrich aus dem Bereich Forschung und Bildung, die das Projekt mit leitet.

Fördern und fordern lautet der Kerngedanke des Projektes. "Arbeit ist nicht nur Geldverdienen, sie stärkt auch das Selbstwertgefühl und erleichtert so die Integration", sagt Geschäftsführer Paul Neuhäuser, der sich früh Gedanken machte, wie er und seine Kollegen aus der Unternehmensgruppe Menschen helfen können, die ihre Heimat verließen und sich ein neues Leben aufbauen müssen. Und so wurde im Sommer 2016 das "Zukunftsprogramm: Ankommen in Deutschland - als Mensch mit Perspektive" ins Leben gerufen, bei dem Flüchtlinge engmaschig von der Mentorin Fatima Meyer-Hetling begleitet werden. Aktivitäten, die zum Erfolgsmodell wurden - das wird durch Menschen wie Hamit deutlich.

(jasi)
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