Serie Chancen Für Flüchtlinge Und Gesellschaft Fit werden für den Arbeitsmarkt

Neuss · Wie sie sich bei einem potentiellen Arbeitgeber um eine Stelle bemühen können, lernen Flüchtlinge dank der Stadt.

 Susanne Enkel, bei der Stadt Kaarst für die psychosoziale Betreuung zuständig, trainiert mit Flüchtlingen, wie sie sich möglichst erfolgreich auf freie Stellen bewerben können.

Susanne Enkel, bei der Stadt Kaarst für die psychosoziale Betreuung zuständig, trainiert mit Flüchtlingen, wie sie sich möglichst erfolgreich auf freie Stellen bewerben können.

Foto: L. Berns

Kaarst Der junge Mann ist wie aus dem Ei gepellt: dunkel gemusterter Anzug, weißes Hemd, gepflegtes Äußeres. Eifrig studiert er den Flyer mit Informationen über ein Freiwilliges Soziales Jahr, für das er sich bei verschiedenen Altenheimen bewerben will, und hört aufmerksam seiner Gesprächspartnerin zu, was er dazu beachten soll. Was nach einem normalen Beratungsgespräch aussieht, entpuppt sich als ein besonderes Bewerbungstraining für Flüchtlinge. Sekoa Traore (26) ist der junge Mann, der sich für eine berufliche Tätigkeit in der Altenpflege interessiert. "Ich möchte gerne Menschen helfen", sagt er. In seiner Heimat Guinea hat er einen dem Abitur gleichwertigen Abschluss gemacht. "Danach habe ich in einem Restaurant gearbeitet", erzählt er.

Seit zwei Jahren ist er in Kaarst und möchte hier beruflich Fuß fassen. Susanne Enkel, für die psychosoziale Betreuung der Flüchtlinge zuständig, ist sein Gegenüber. "Sie liegen gut in der Zeit, denn der Beschäftigungsbeginn ist der 1. August", erklärt sie ihm. Bis dahin könne er möglichst viele Heime in Kaarst und Neuss "abklappern", so Enkel. Außerdem müssen ihm Verwandte seine Zeugnisse aus der Heimat schicken. Diese bedürfen einer Übersetzung, deren Kosten Traore selbst tragen soll. "Dafür möchte ich eigentlich keine Spendengelder einsetzen", so Enkel. "Für die Steigerung des Selbstwertgefühls ist es von Vorteil, wenn sich der Bewerbungswillige finanziell einbringt", erklärt sie. Bei der endgültigen Ausformulierung der Bewerbungsunterlagen zeigt sie sich behilflich. "Herr Traore hat noch Schwierigkeiten beim Gebrauch der Schriftsprache", sagt Enkel und ist froh, dass er große Unterstützung durch seinen ehrenamtlichen Betreuer Horst Schleberger erhält. Deutsch zu sprechen, bereitet Traore hingegen kaum Mühe. Darum ist er auch als Dolmetscher für seine Landsleute im Einsatz. Wenn Flüchtlinge ihr Interesse an einer Berufstätigkeit oder Ausbildung signalisieren, entscheide der individuelle sprachliche Level über ein Bewerbungstraining, erklärt Enkel. Denn die Sprache ist auch auf dem Arbeitsmarkt der Schlüssel zur Integration. In Kooperation mit dem Café International in Neuss gibt es ein viertägiges Computer- und ein dreitägiges Bewerbungsseminar. "Wir holen die Flüchtlinge da ab, wo sie stehen", so Enkel. Am Schluss bekommt jeder einen USB-Stick mit allen notwendigen Beispielen, aus denen sich eine jederzeit erneuerbare Bewerbung anfertigen lässt. "Wir konnten letztens einen Diplom-Informatiker als Hospitant vermitteln", sagt Enkel stolz. Auch ein Architekt und ein Bauzeichner konnten schon untergebracht werden. "Arbeit bringt die Flüchtlinge mit Menschen in Kontakt, sie können sich gesellschaftlich einbringen und eine eigene Biographie in Deutschland aufbauen", erklärt sie. "Manchmal melden sich auch potentielle Arbeitgeber bei uns, weil sie jemanden suchen", sagt sie erfreut. Mit Hilfe von Spendengeldern und in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Arbeitskreis Asyl soll in neutraler Atmosphäre ein Arbeitsplatz mit Computer eingerichtet werden, an dem (nicht nur) Flüchtlinge mit Hilfe von Ehrenamtlern ihre Bewerbungen schreiben können. "Ohne die wären wir sowieso aufgeschmissen", macht Enkel deutlich und lobt die Kirchencafés in Büttgen und Kaarst, die auch als "Sprechcafés" dienen.

(NGZ)
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